# taz.de -- Sexueller Missbrauch: Männerprojekt fehlt das Geld
       
       > Das einzige Beratungsprojekt für Männer hat eine steigende Nachfrage,
       > muss sich aber mit ehrenamtlichen Mitarbeitern über Wasser halten
       
       Die Offenlegung von sexuellen Missbrauchsfällen an katholischen Schulen hat
       dazu geführt, dass betroffene Männer verstärkt um Beratung nachsuchen. In
       Berlin gibt es dafür nur eine Adresse: Tauwetter, die einzige
       Beratungstelle für Männer, die als Junge Opfer sexueller Gewalt geworden
       sind. Seit Ende Januar, als Pater Klaus Mertes vom Canisius-Kolleg die
       Vorkommnisse an Jesuiten-Schulen öffentlich machte, sind die Anfragen bei
       Tauwetter um das Doppelte gestiegen, berichtet Thomas Schlingmann, einer
       der Gründer des Projekts im Kreuzberger Mehringhof. Im Unterschied zu
       Projekten, die sich um sexuell missbrauchte Jungen, Mädchen und Frauen
       kümmern, bekommt Tauwetter vom Senat so gut wie keine öffentlichen Mittel.
       Die gesamte Arbeit wird ehrenamtlich geleistet.
       
       Tauwetter existiert seit 1994. Der 52-jährige Schlingmann ist als Junge von
       seinem Vater missbraucht worden. Tauwetter habe als klasssisches
       Selbsthilfeprojekt angefangen, berichtet er. Dass Jungen sexuell
       missbraucht würden, sei noch ein größeres gesellschaftliches Tabu als
       Missbrauchsfälle bei Mädchen. Das öffentliche Bewusstsein für dieses
       Problem sei in den letzten Jahren zwar deutlich größer geworden. Aber den
       Betroffenen falle es nach wie vor ungemein schwer, sich zu offenbaren. Die
       ratsuchenden Männer seien meistens deutlich älter als 30 Jahre. "Hut ab vor
       Pater Mertes, der das Schweigekartell gebrochen hat", so Schlingmann.
       
       Schlingmann und seine fünf Kollegen führen Einzelgespräche und betreuen
       diverse Selbsthilfegruppen. Längst falle so viel Arbeit an, dass die
       eigenen Mittel nicht mehr reichen, sagt Tauwetter-Geschäftsführer Jörg
       Schuh. 2007 und 2008 sowie im ersten Halbjahr 2009 konnte sich das Projekt
       über Wasser halten, weil es Lottogelder in Höhe von insgesamt 125.000 Euro
       bekam. Seitdem fließt kein Geld mehr. Das Projekt hofft nun auf die
       Unterstützung der in Wuppertal ansässigen Bethe-Stiftung und will im Mai
       2010 eine Spendenkampagne starten. Ziel sei, 20.000 Euro zu sammeln, sagt
       Schlingmann. Die Bethe-Stiftung habe zugesagt, die eingenommene
       Spendensumme zu verdoppeln.
       
       Doch warum fördert der Senat das Projekt nicht? Zuständig wäre die
       Gesundheitsverwaltung. Sprecherin Regina Kneiding sagt: "Wir stehen in
       guten Kontakt zu dem Projekt und wissen um die Schwierigkeiten". Tauwetter
       bekomme jährlich 6.300 Euro für Sachmittel. Das Problem beschreibt Kneiding
       so: Nach dem Auslaufen der Lottomittel habe es Tauwetter versäumt, für den
       Haushalt 2010/2011 rechtzeitig einen Bedarf anzumelden. Der nächste Antrag
       kann nun erst für den Haushalt 2012/2013 gestellt werden. Dann werde man
       dem Projekt beratend zur Seite stehen, verspricht Kneiding.
       
       Die Tauwetter-Mitarbeiter berufen sich auf Studien wonach 5 bis 10 Prozent
       aller Männer bis zu ihrem 16. Lebensjahr Opfer sexueller Gewalt werden. Bei
       Mädchen geht man von 20 bis 25 Prozent aus. Für die Beratung und Betreuung
       von weiblichen Missbrauchsopfern gibt es in Berlin ein gutes Netz an
       Hilfsangeboten. Die Finanzierung der meisten Stellen aus Landesmitteln ist
       gesichert. "Wir arbeiten zwar nicht bedarfsdeckend und bräuchten mehr
       Ressourcen", sagt etwa die Geschäftsführerin von Wildwasser, Iris Hölling.
       "Aber wir müssen nicht befürchten, abgeschafft zu werden". Auch reine
       Jungen-Missbrauchsprojekte wie die "Berliner Jungs" brauchen sich um ihre
       Finanzierung nicht zu sorgen.
       
       Plutonia Plarre
       
       16 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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