# taz.de -- Kommentar Hartz-IV und FDP: Sozialpopulismus der Mitte
> Die Ressentiments, die die FDP aktuell schürt, sind gefährlich. Wie
> dieser Angriff auf die bundesdeutsche Konsensdemokratie ausgehen wird,
> ist ungewiss.
Guido Westerwelles Attacken gegen angebliche Sozialschmarotzer werden immer
spitzfindiger. Je länger der FDP-Chef agitiert, desto mehr wird offenbar:
Dies ist mehr als eine Taktik, um eine drohende Niederlage bei der NRW-Wahl
abzuwenden. Westerwelle will etwas Neues in der bundesdeutschen Politik
etablieren: einen Sozialpopulismus der Mitte.
Dieser setzt darauf, sich als Vertreter einer schweigenden
Bevölkerungsmehrheit zu inszenieren. In dieser Rolle geht es darum,
bekannte Missstände zu Tabus zu stilisieren, die man dann heroischerweise
bricht. Gerade die Unbestimmtheit der Vorwürfe macht sie wirksam, weil sie
sich so als Projektionsfläche tief sitzender Ressentiments nutzen lassen.
Ähnliches tut die CSU seit Jahrzehnten, und die Linke verdankt nicht
zuletzt solchem Populismus ihren Wahlerfolg. Doch dass sich eine
Regierungspartei derartig heftig als Opposition aufspielt, ist neu.
Erstmals schürt eine Regierungspartei derart offen tief sitzende
Ressentiments gegen eine angeblich homogene Gruppe, in diesem Fall
Hartz-IV-Empfänger und ihre Familien - ohne Rücksicht auf die Fakten.
Westerwelle verschweigt, dass es die geforderte Möglichkeit,
Hartz-Leistungen zu kürzen, längst gibt. Seine Worte bedienen gezielt
Sehnsüchte nach Bestrafung, die sich nicht scheren um Gesetze und
Verordnungen. Sie sind dumpfer - und dadurch umso gefährlicher.
Ähnlichen "Extremismus der Mitte", wie der Politologe Franz Walter dieses
Phänomen nennt, gibt es in der Schweiz: die SVP mit ihrem Vordenker
Christoph Blocher und ihren Kampagnen gegen ausländische "schwarze Schafe"
und Muslime.
Wie dieser Angriff auf die bundesdeutsche Konsensdemokratie ausgehen wird,
ist ungewiss. Eine Niederlage der Freidemokraten in NRW könnte zu einer
weiteren Verschärfung ihrer Kampagne führen. Den Schaden hätten die
Bedürftigen sowie die politische Kultur insgesamt.
21 Feb 2010
## AUTOREN
(DIR) Matthias Lohre
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