# taz.de -- Tribunal in Den Haag: Karadzic mimt den Unschuldigen
       
       > Der wegen Kriegsverbrechen vor dem Haager UN-Tribunal angeklagte frühere
       > bosnische Serbenführer Karadzic weist alle Vorwürfe zurück. Die Serben
       > hätten sich nur verteidigt.
       
 (IMG) Bild: Videoaufnahme von der Verhandlung am 1. März.
       
       SARAJEVO taz | Die Serben seien Opfer der Geschichte und hätten den Krieg
       1992-95 in Bosnien nur geführt, um sich zu schützen. Der im Juli
       vergangenen Jahres in Belgrad verhaftete frühere bosnische Serbenführer
       Radovan Karadzic nahm nach einer monatelangen Prozessunterbrechung gestern
       persönlich zur umfangreichen Anklageschrift des UN-Tribunals für
       Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien Stellung. Ihm wird vorgeworfen,
       für zahlreiche Kriegsverbrechen im bosnischen Krieg - so auch den Mord an
       8.000 Muslimen in Srebrenica 1995 - verantwortlich zu sein.
       
       "Es gab nie die Absicht, die Idee oder noch weniger einen Plan, die Muslime
       und Kroaten aus Bosnien und Herzegowina zu vertreiben", erklärte der
       64-jährige Karadzic zu dem Anklagepunkt, für die sogenannten ethnischen
       Säuberungen, also der Vertreibung von über 2 Millionen und dem Tod von mehr
       als 100.000 Menschen in Bosnien und Herzegowina 1992-95 verantwortlich zu
       sein. Im Gegenteil habe er alles versucht, um die Führer der kroatischen
       und muslimischen Nationalparteien von der Unabhängigkeitserklärung am 6.
       April 1992 abzuhalten. So habe er den Cutilheiro-Plan der EU vom Februar
       1992 unterstützt, der Bosnien in ethnisch definierte Kantone aufgeteilt
       hätte. Der bosnische Muslimführer Alija Izetbegovic aber hätte seine
       Unterschrift unter den Plan zurückgezogen, nachdem die Amerikaner ihm
       versprochen hatten, die Unabhängigkeit Bosniens zu unterstützen.
       
       Vor dem UN-Tribunal beschuldigte Karadzic vor allem Deutschland und den
       Vatikan, Jugoslawien zerstört zu haben. Diese Mächte hätten die Sezession
       Sloweniens und Kroatiens unterstützt und damit das Ziel erreicht, das im
       Zweiten Weltkrieg nicht erreicht worden war. Zudem hätte die Türkei damals
       versucht, das Osmanische Reich auf dem Balkan erneut zu etablieren. Die
       Serben hätten sich im kroatischen und bosnischen Krieg nur gewehrt und
       hätten Europa gegen den islamischen Fundamentalismus verteidigt, war die
       Quintessenz seiner über vierstündigen Ausführungen. Zur Bekräftigung seines
       Friedenswillens vor dem Krieg in Bosnien 1992 ließ er seine Rede im
       Gerichtssaal abspielen: In ihr warnte er die muslimische Bevölkerungsgruppe
       vor den Konsequenzen der Unabhängigkeit. Die Muslime Bosniens würden am
       meisten unter dem Krieg zu leiden haben, hatte er erklärt.
       
       Im Gegensatz zu den Serben hätte die Führung der bosnischen Muslime unter
       Alija Izetbegovic die Vorherrschaft in Bosnien und Herzegowina angestrebt.
       "Izetbegovic wollte 100 Prozent der Macht und 100 Prozent des
       Territoriums", erklärte Karadzic. Izetbegovic sei ein islamischer
       Fundamentalist gewesen, der eine islamische Republik nach dem Vorbild Irans
       hätte errichten wollen. Er, Radovan Karadzic, habe vor dem Krieg einen
       Kompromiss und friedlichen Ausgleich angestrebt. Die Serben aber hätten
       klargemacht, dass sie keineswegs in einem islamischen Staat leben wollten.
       
       Zu den Vorwürfen, nach Beginn des Krieges Konzentrationslager in Bosnien
       errichtet zu haben, erklärte Karadzic, das Lager Trnopolje in Westbosnien
       sei lediglich ein Schutzlager gewesen, in das muslimische Zivilisten
       geflohen seien. Wie perfide die muslimische Propaganda sei, um die
       Weltmeinung gegen die Serben zu beeinflussen und eine militärische
       Intervention der Nato zu erzwingen, könne man am Beispiel der Granate auf
       die Markala (Marktplatz in Sarajevo) 1994 sehen. "Die Granate ist von den
       Muslimen selbst abgeschossen worden, die Toten sind von anderswoher zur
       Markala gebracht worden", erklärte der frühere Serbenführer. Der Prozess
       wird am Dienstag fortgesetzt.
       
       1 Mar 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) E. Rathfelder
       
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