# taz.de -- Entmachtung der Rating-Agenturen: EU will selbst bewerten
> Aus Ärger über die Agenturen planen die Finanzminister der EU jetzt
> eigene Länderratings. Globalisierungskritiker wollen lieber, dass die
> Maastricht-Kriterien ganz abgeschafft werden.
(IMG) Bild: Daumen hoch, Daumen runter - das will die EU in Zukunft selbst machen.
Die Griechenlandkrise machts möglich: Hat sich nach dem Bankencrash von
2007 auf europäischer Ebene trotz anders lautender Bekundungen bei Fragen
der Finanzmarktregulierung nur wenig getan, scheint es nun erste konkrete
Ansätze zu geben.
Vergangene Woche sickerte durch, dass mehrere EU-Finanzminister die Macht
der drei dominierenden Ratingagenturen S&P, Moodys und Fitch brechen
wollen. Länderratings soll künftig die Europäische Zentralbank (EZB)
vergeben. In der globalisierungskritischen Szene stößt der Vorstoß der
europäischen Finanzpolitiker jetzt auf Skepsis.
Ratingagenturen sind private und gewinnorientierte Unternehmen, die
gewerbsmäßig die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, aber auch Staaten durch
einen Ratingcode bewerten, die von der Bestnote AAA bis D reicht.
Die drei großen Ratingagenturen Standard & Poors, Moodys und Fitch gelten
als Mitverursacher der Finanzkrise. Ihnen wird vorgeworfen, fragwürdige
Finanzprodukte mitkreiert zu haben, die sie anschließend mit Bestnoten
bewertet haben. Massiver Unmut über das Verhalten der Ratingagenturen
herrscht nun bei der EU, weil S&P und Fitch die Bonität Griechenlands
abgewertet haben.
Sollte Moodys den anderen beiden Agenturen folgen, kann die EZB griechische
Anleihen ab 2011 nicht mehr als Sicherheit anerkennen. "Das Schicksal
Europas hängt an der Urteilskraft einer einzigen Ratingagentur",
kritisierte Österreichs Zentralbankchef Ewald Nowotny. "Das ist keine
akzeptable Situation."
Doch der Vorschlag eines Länderratings unter dem Dach der EZB stößt auch
bei Globalisierungskritikern, die schon lange die Übermacht der
Ratingagenturen anprangern, nicht nur auf uneingeschränkte Zustimmung. "Im
Prinzip begrüße ich, dass die Kompetenz der privatwirtschaftlich
organisierten Agenturen infrage gestellt wird", sagt Rainer Falk vom
Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung. Dafür müsse aber eine
unabhängige Einrichtung geschaffen werden, die anders als die EZB nicht dem
"Diktat von Maastricht" unterliege.
Globalisierungskritiker bemängeln die 1994 von den EU-Staaten beschlossenen
Maastricht-Kriterien als neoliberal und unsozial. Der frühere SPD-Politiker
Detlev von Larcher, Finanzexperte und Mitglied im Koordinierungskreis von
Attac, bemängelt, dass die EZB beim Rating keineswegs neutral vorgehe. Im
Fall der Griechenlandkrise erhoffe sich die EZB, dass griechische
Staatsanleihen nicht abgewertet würden.
Der Globalisierungskritiker Falk würde noch weiter gehen und stellt den
Sinn und Nutzen von Länderratings insgesamt infrage. "Warum muss eine
Agentur überhaupt ganze Länder bewerten?", fragt er. Ohne solche Ratings
könnten die Banken wie bei der Kreditvergabe an Privatleute selbst
kalkulieren, ob sie ihr Geld dem Land leihen oder nicht. Damit wäre
zumindest die Allmacht einiger weniger Akteure gebrochen.
Ob sich die EU tatsächlich eine eigene, der EZB unterstellte Ratingagentur
errichten will, ist noch nicht amtlich bestätigt. Zu einem Schritt hat sich
die EU immerhin schon durchgerungen. Nach einer neuen Richtlinie üben
vorerst die Mitgliedstaaten die Aufsicht über die Ratingagenturen aus,
später soll eine neue EU-Aufsichtsbehörde diese Aufgabe übernehmen. In
Deutschland hat am vergangenen Freitag der Bundesrat in Berlin den Weg für
eine Kontrolle der Ratingagenturen durch die deutsche Börsenaufsicht BAfin
freigemacht.
Die neue EU-Regelung sieht unter anderem vor, dass sich die Agenturen
einmal im Jahr von einem Wirtschaftsprüfer kontrollieren lassen müssen.
Darüber hinaus kann die Bafin jederzeit und ohne Anlass Sonderprüfungen
anordnen. Zudem dürfen die Agenturen künftig nicht mehr die Bonität von
Unternehmen bewerten, die sie beraten. Bei Verstößen drohen ihnen Bußgelder
in Höhe von bis zu 1 Million Euro.
9 Mar 2010
## AUTOREN
(DIR) Felix Lee
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