# taz.de -- Teilchenbeschleuniger macht Pause: Die Angst vorm schwarzen Loch
       
       > Der Teilchenbeschleuniger des CERN erzeugt bei vielen die Furcht, die
       > Welt könnte verschwinden. Zur Freude dieser Skeptiker muss das Gerät
       > wieder abgeschaltet werden.
       
 (IMG) Bild: Uah! Hilfe! Teilchenbeschleuniger!
       
       Manchem macht es Angst, das im allgemeinen Sprachgebrauch als CERN bekannte
       Forschungszentrum bei Genf. Dessen Teilchenbeschleuniger könne schwarze
       Löcher hervorrufen, in denen die ganze Welt verschwindet, fürchtet eine in
       Zürich lebende Deutsche. Sie klagte vor dem Bundesverfassungsgericht. Und
       scheiterte. Ein klein wenig aufatmen kann sie trotzdem: Wie britische
       Medien gestern vermeldeten, wird der Teilchenbeschleuniger Ende 2011 für
       ein Jahr abgeschaltet, um einige Verbesserungen vorzunehmen. Und bis dahin
       läuft er nur mit halber Energie.
       
       Die Frau aus Zürich sah ihr Grundrecht auf Leben und körperliche
       Unverletztheit verletzt. Mit ihr gibt es viele andere, auch Physiker, die
       im Internet und in Büchern die Ängste bezüglich des Large Hadron Colliders
       schüren. Sie erliegen irrationalen Befürchtungen angesichts der Grenzen des
       menschlichen Vorstellungsvermögens.
       
       Der im CERN stehende Large Hadron Collider beschleunigt Elementarteilchen
       auf sehr hohe Geschwindigkeiten, um sie dann kontrolliert
       aufeinanderprallen zu lassen und die Trümmer zu untersuchen. Je höher die
       dabei verwendete Energie, desto kleiner natürlich die Trümmer. Die Forscher
       hoffen, das Verhalten der bekannten Teilchen bei kleineren als den bislang
       erforschten Abständen genauer studieren zu können. Größte Freude würde aber
       auch die Detektion eines Higgs-Bosons auslösen. Es ist das letzte bislang
       nie gesehene Teilchen des Standardmodells. Das Standardmodell ist jene
       Theorie, die seit Jahrzehnten alle je beobachteten Phänomene der Physik
       erklärt, und gilt deshalb zu Recht als aktuelle Weltformel. Wie bisher jede
       andere in der Geschichte der Wissenschaft wird sie einen begrenzten
       Gültigkeitsbereich haben. Diese Grenze würden die Forscher auch gern sehen,
       etwa in Form neuer Teilchen.
       
       Die CERN-Gegner fürchten nun schwarze Löcher. Ein solches Loch ist ein sehr
       eigenartiges Ding. Grob gesprochen kann es entstehen, wenn man Materie
       derart komprimiert, dass sie aus Gründen der Gravitation in sich
       zusammenfällt, wobei die Dichte und damit die Gravitation ins Unendliche
       gehen. Es ist dann ein Rand, an dem Raum und Zeit aufhören. Daher hat es
       Ähnlichkeit mit dem Urknall.
       
       Sich das Ende der Raumzeit vorzustellen bereitet im ersten Moment meistens
       Schwierigkeiten, weil man den Raum und die Zeit als gegeben annimmt, wie es
       vor den Entdeckungen Albert Einsteins der Fall war und im Alltag auch
       vernünftig ist. Wer einem schwarzen Loch zu nahe kommt, stürzt jedenfalls
       tatsächlich hinein und fällt aus der Welt! Allerdings finden die im CERN
       künstlich hergestellten Kollisionen in jedem Sekundenbruchteil und überall
       in der Welt auch so statt. Das CERN stellt diese nur eben in einem
       tonnenschweren Detektor mit angeschlossenem Rechenzentrum - beziehungsweise
       Grid - her.
       
       Das Missverständnis liegt hier wohl in der Formulierung der gewaltigen
       Energien beziehungsweise Geschwindigkeiten, unter denen die Teilchen
       kollidieren. Sie sind nämlich sehr klein, diese Teilchen, es sind für sie
       gewaltige Energien, nicht etwa für den Kosmos. Der Strom zur Beschleunigung
       wird natürlich mit ganz normalen Kraftwerken hergestellt. Gemessen an
       Kollisionen irgendwo im Weltall stellen jene im CERN keine Sensation dar.
       Mehr noch: Im Zusammenspiel beliebiger Materieteilchen finden sie auch
       statt, kurzfristig auch in Ihrem Körper, während Sie diesen Text lesen.
       
       Die Welt wäre also längst weg, bestünde das Problem tatsächlich. Es wird ja
       nicht eine neue Natur im CERN erfunden. Die vorhandene wird nur erforscht.
       
       Und dass man dem Urknall nahekommt, ist auch nur bedingt richtig. Denn wie
       nahe genau kommt man ihm denn? Näher als bisher, okay. Um ihn tatsächlich
       zu simulieren, müsste man Teilchen so arg zusammenpressen, dass ihr Abstand
       null beträgt. Doch die Energie ist umgekehrt proportional zum Abstand - man
       bräuchte unendlich viel Energie. Spätestens hier ist das Ende der Theorie
       erreicht, denn unendliche Energie existiert nicht.
       
       Unendlich viel Energie wenden lediglich die Antragsteller der
       Forschungsinstitute und deren PR-Abteilungen auf, um ihre Projekte bei
       Politikern und Öffentlichkeit so populär wie möglich zu machen. Indem sie
       selbst vom "Urknall" und anderen Superlativen schreiben, schüren sie den
       Hype. Denn so kommen die Institute leichter an Forschungsgelder und die
       Wissenschaftler leichter in die Zeitung.
       
       11 Mar 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Bönt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Astronomie
 (DIR) CERN
       
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