# taz.de -- Erfundene "Neon"-Interviews: Die Butter verriet ihn
       
       > Gespräche mit Beyoncé Knowles oder Snoop Dogg im Magazin "Neon"? Alles
       > nur ausgedacht, wurde jetzt bekannt. Und der fabulierende Journalist
       > prompt gefeuert.
       
 (IMG) Bild: Alles echt - und von Butter hat sie nie geredet: Beyoncé Giselle Knowles, 28, Soulsängerin, Schauspielerin, Grammy-Preisträgerin.
       
       Das Profil "Ingo_M." auf Neon.de gibt es nicht mehr. Ingo M., bis zu dieser
       Woche Mitarbeiter des Münchener Magazins Neon, bat bei seiner Entlassung
       darum, es zu löschen. Auf einem anderen Internetprofil, das er vor neun
       Jahren, mit 27, zum letzten Mal aktualisierte, steht ein Satz, der immer
       noch gilt. "Heute glücklicher als ich: Michael Ebert."
       
       Michael Ebert ist einer der beiden Chefredakteure des Magazins Neon. Und
       Ingo M. ist nun arbeitslos. Er hat mindestens fünf Interviews mit Musikern
       gefälscht. Alle erschienen in dem Magazin. Den Medienskandal
       veröffentlichte Neon selbst auf seiner Homepage: "In der Ausgabe 01/2010
       veröffentlichte NEON ein Interview des Mitarbeiters Ingo M. mit der
       Sängerin Beyoncé Knowles. Durch Hinweise des Managements der Künstlerin
       sind Zweifel an der Echtheit des Interviews entstanden. Die
       NEON-Chefredaktion hat den Autoren mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er
       die Antworten der Sängerin erfunden habe. Ingo M. konnte diesen Vorwurf
       nicht ausräumen und bestätigte schließlich, dass er die Prüfinstanz der
       NEON-Dokumentation getäuscht und das Gespräch nicht wie von ihm vorgelegt
       stattgefunden hat."
       
       Ingo M. war verantwortlich für Popmusik und soll gut vernetzt sein in
       seinem Bereich. Zu der Verleihung des MTV Music Awards war die Sängerin
       Beyoncé in Berlin, M. flog hin, um ein Interview zu führen. "Er kam zurück
       und sagte: War gut. Wir hatten keinen Grund zu zweifeln", sagte
       Neon-Chefredakteur Timm Klotzek. In Wirklichkeit hatte kein Interview
       stattgefunden, Teile des Textes, der in der Januarausgabe von Neon
       erschien, waren ausgedacht, Teile stammten wohl aus älteren Interviews, die
       M. mit der Sängerin geführt hatte. "Alles in Butter" stand über dem
       Gespräch, Knowles sagt darin: "Butter ist in meinem Leben nicht unbedingt
       von zentraler Bedeutung." Die Frage des Managements der Sängerin, ob es
       sein könne, dass mit dem Text möglicherweise etwas nicht stimme, kam am
       Montag. Seitdem prüfte die Neon-Chefredaktion jeden von M.s Artikeln. Auch
       der Autor selbst gab Hinweise. Gespräche mit Künstlern wie Christina
       Aguilera, Slash, Snoop Doggy Dogg und Jay-Z hatte es teilweise nicht
       gegeben, teilweise nicht so wie abgedruckt. "Das ist unentschuldbar", sagte
       Klotzek.
       
       Die Zeile des Tages in den Medienblogs: "Kummer bei Neon". Chefredakteur
       Timm Klotzek versuchte, das Wort "Kummer" zu vermeiden. Zu sehr erinnert
       der Fall M. an den des Journalisten Tom Kummer. Der freie Autor hatte
       jahrelang für das SZ-Magazin aus Hollywood berichtet und Gespräche mit
       Schauspielern wie Demi Moore oder Brad Pitt erfunden. Damals verloren auch
       die beiden Chefredakteure des SZ-Magazins ihren Job. Kummer verteidigte
       anschließend seine Fälschungen als Konzept, zuletzt in einem Interview in
       dem Buch "Skandal! Die Macht öffentlicher Empörung".
       
       Ingo M., unter Kollegen als schlagfertig, locker und witzig bekannt, sagt
       bisher nichts zu seinen Beweggründen. Auch die Neon-Redaktion will nicht
       öffentlich spekulieren. Druck? "Wir haben ihn auch gefragt: Was hast du
       denn gedacht, was passiert, wenn du aus Berlin anrufst und sagst, das
       Interview hat nicht geklappt?", sagt Klotzek. Von der Echtheit von M.s
       Reportagen sind sie überzeugt, dafür gebe es hinreichend Belege. So war er
       etwa wirklich in Kopenhagen, auf der Party zu Snoop Doggs neuem Album.
       "Hier soll es, endlich, zum Gespräch mit ihm kommen, und Interviews mit dem
       größten Gangster-Rapper der Welt sind so begehrt wie selten", schreibt M.
       zur Einleitung des gefälschten Interviews. "Doch wer es bis zu der Party
       schafft, auf der Snoop Dogg sein neues Album ,Tha Blue Carpet Treatment'
       präsentiert, der schafft so gut wie alles."
       
       Update, 17. März 2015: Der Name des früheren Neon-Redakteurs, bislang in
       voller Länge im Artikel, ist auf dessen Wunsch hin abgekürzt.
       
       20 Mar 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Luise Strothmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Der Spiegel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Konzert von Beyoncé in Hamburg: Absolution in luftiger Höhe
       
       Die Sci-Fi-Discoqueen entschwebt: Beyoncé elektrisiert die Massen bei ihrem
       ausverkauften Konzert im Hamburger Volksparkstadion.
       
 (DIR) „Spiegel“-Skandal um Claas Relotius: Chef-Verträge vorerst ausgesetzt
       
       Nach dem Fälschungsskandal beim „Spiegel“ folgen personelle Konsequenzen.
       Ullrich Fichtner und Matthias Geyer lassen ihren Vertrag ruhen.
       
 (DIR) Weltstars im Interview: Ausfragen im 20-Minuten-Takt
       
       Das Fall der erfundenen "Neon"-Interviews ist krass. Wie auch die
       Bedingungen, unter denen Interviews mit den Stars der Popkultur oft
       stattfinden.
       
 (DIR) Kommentar "Neon"-Medienskandal: Keine Grauzonen!
       
       Der Fall der erfundenen Interview im Magazin "Neon" macht deutlich: Ein
       bisschen Schummeln gibt es nicht. Und: Seriösität und Ehrlichkeit müssen
       das Credo des Journalisten sein.
       
 (DIR) Borderline-Journalist Tom Kummer: "Fakten sind langweilig"
       
       Tom Kummer sorgte mit gefälschten Starinterviews für einen Medienskandal.
       Jetzt hat er eine Autobiografie geschrieben: "Blow up". Will er sich
       rehabilitieren?