# taz.de -- Datenschützer ziehen vor Gericht: Von Karlsruhe beflügelt
> Seit der Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung ist eine regelrechte
> Klagewut ausgebrochen. Ist Datenschutz nur noch was für juristisch
> Versierte?
(IMG) Bild: Arbeitnehmer: Wenn es nach Elena geht, sind sie gläserner denn je.
BERLIN taz | Der Erfolg war nicht einmal eindeutig. Bei der
Massenbeschwerde gegen das Gesetz der Vorratsdatenspeicherung hat das
Bundesverfassungsgericht Anfang März den Datenschützern zwar in dem Punkt
Recht gegeben, dass die anlasslose Speicherung aller Telefon-, Mail- und
Internetverbindungsdaten in der bisherigen Form verfassungswidrig ist.
Die Vorratsdatenspeicherung verstößt aber nicht generell gegen das
Grundgesetz. Wenn die Daten nach strengeren rechtsstaatlichen Kriterien
gespeichert werden, kann der Bundestag sie jederzeit wieder beschließen.
Dennoch sehen sich die Datenschützer im Aufwind. Bei ihnen ist regelrecht
eine Klagewut ausgebrochen. Nächstes Ziel: Elena (steht für Elektronischer
Entgeltnachweis) zu Fall bringen, also das Gesetz zur Speicherung von
Arbeitnehmerdaten. Die Datenschutzbewegung - eine Klagebewegung?
Gerade erst seit zwei Wochen ruft der Bielefelder Datenschutzverein Foebud
dazu auf, sich an einer Sammelbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht
gegen die zentrale Vorratsdatenspeicherung von Arbeitnehmerdaten zu
beteiligen. Auch bei Elena geht aus Sicht der Datenschützer die Überwachung
zu weit. Mit der Begründung, Bürokratie abzubauen, da alle Daten quasi per
Mausklick abrufbar sind, müssen Arbeitgeber Daten aus den Lohn- und
Gehaltsabrechnungen ihrer MitarbeiterInnen an die Deutsche
Rentenversicherung schicken.
Dabei geht es nicht nur um Angaben zum Verdienst, sondern neben
Krankheitstagen und Fehlzeiten auch um andere persönliche Dinge, die dann
ab 2012 von allen Sozial- und Arbeitsämtern einsehbar sind. Bundesweit etwa
40 Millionen Beschäftigte sind davon betroffen. Das entsprechende Gesetz
ist seit fast einem Jahr in Kraft. Um die einjährige Frist für
Verfassungsbeschwerden einzuhalten, hatte Foebud bis zum Donnerstag dieser
Woche Zeit, Massenbeschwerden zu sammeln. Sie sollen jetzt pünktlich zur
Ablauffrist am 1. April den Verfassungsrichtern in Karlsruhe übergeben
werden.
Mit Erfolg: Nach einer Woche hatten bereits mehr als 23.000 Personen per
Mail erklärt, dass sie sich an der Sammelklage beteiligen werden, berichtet
Rena Tangens von Foebud. Mehr als 7.000 dieser Klagen seien bereits per
Post angekommen und seien überprüft, so Tangens. Verfassungsbeschwerden
müssen unterschrieben in Papierform vorliegen. "Es hat mich selbst
überrascht, wie viel Zuspruch wir doch noch bekommen haben", sagte Tangens.
Foebud hatte bereits vor zwei Jahren auf die Gefahren von Elena aufmerksam
gemacht. Zusammen mit dem Chaos Computer Club verlieh der Verein 2008 Elena
den Big Brother Award, einen Negativpreis. Doch das allgemeine Interesse,
neben der Vorratsdatenspeicherung auch gegen Elena vorzugehen, war gering.
Bei der ersten Petition, die Elena noch mal zur Erörterung in den Bundestag
gebracht hätte, fanden sich nicht genug Unterzeichner. Gerade einmal knapp
über 25.000 Personen unterzeichneten die Petition. 50.000 Unterschriften
waren nötig.
Das Mittel der Verfassungsbeschwerde ist aus Sicht von Foebud hingegen erst
zu diesem Zeitpunkt angebracht. Denn einerseits müssen für eine Klage die
Kläger unmittelbar betroffen sein, und das ist erst seit Jahresbeginn der
Fall. Außerdem wollte der Verein das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung
abwarten. Tatsächlich kann Foebud Teile der Urteilsbegründung des
Verfassungsgerichts auch für die Klage gegen Elena verwenden.
"Natürlich ist die derzeitige Klagewelle dem Erfolg der Klage gegen die
Vorratsdatenspeicherung zu verdanken", sagt auch Constanze Kurz, Sprecherin
des Chaos Computer Clubs. Sie weist allerdings darauf hin, dass es zwar
nicht ganz unwichtig sei, wie viele Menschen sich beteiligen, der Erfolg
vor dem Verfassungsgericht aber letztlich davon abhängt, wie gut die
Klageschrift juristisch begründet ist.
Wer klagen muss, hat nicht rechtzeitig interveniert
Aber es gibt auch kritische Stimmen zum Gang vors Verfassungsgericht. Felix
Kolb von der Plattform Campact etwa, die linke politische Kampagnen übers
Internet organisiert, sieht in Klagen zumindest bedingt das Eingeständnis
der Niederlage. Wenn die Klage nötig werde, sei man eigentlich zu spät, um
den politischen Prozess noch zu beeinflussen, sagt Kolb.
Zugleich aber zeigt sich Kolb beeindruckt, in welch kurzer Zeit die
Datenschutzbewegung imstande ist, so viele Leute zu organisieren. "Davon
können sich andere Bewegungen definitiv ein Stück abschneiden", sagt er.
Verfassungsbeschwerden seien ein ganz schöner Papierkrieg, gibt auch
Constanze Kurz zu bedenken. Dennoch unterstützen Chaos Computer Club wie
auch Campact die Kampagne.
Sehr viel Kritik gegen die Strategie der Verfassungsbeschwerde habe es
innerhalb der Datenschutzbewegung nicht wirklich gegeben, so Kurz. "Wir
waren uns einig, dass wir das zu diesem Zeitpunkt machen müssen."
27 Mar 2010
## AUTOREN
(DIR) Felix Lee
## TAGS
(DIR) Schwerpunkt Überwachung
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