# taz.de -- Gottesdienst für Missbrauch-Opfer: Österreichs Klerus tut Buße
       
       > Kardinal Schönborn zelebriert für die Opfer sexueller oder physischer
       > Gewalt durch Vertreter kirchlicher Institutionen einen Gottesdienst. Das
       > Schuldbekenntnis fällt deutlich aus.
       
 (IMG) Bild: Christoph Schönborn bei der Messe am 31.3. im Wiener Stephansdom.
       
       WIEN taz | Erstaunliches begab sich Mittwoch abend im Wiener Stephansdom.
       Da zelebrierte Kardinal Christoph Schönborn einen Klage- und
       Bußgottesdienst, für die Opfer der zahlreichen Misshandlungen im Bereich
       kirchlicher Institutionen und fand dabei klare Worte. Man habe "die
       Leiblichkeit" nicht wertgeschätzt und sei an der Aufgabe, "Sexualität gut
       zu leben", gescheitert. Dabei ließ er sich von einer Frau, der bekannten
       Theologin Veronika Prüller-Jagenteufel assistieren.
       
       Das gemeinsam rezitierte "Schuldbekenntnis" war jenem nachempfunden, das
       der 1945 von den Nationalsozialisten hingerichtete evangelische Theologe
       Dietrich Bonhoeffer der Kirche für ihr Versagen in der NS-Zeit formuliert
       hat. Angesichts des reservierten Verhaltens des Vatikans gegenüber den
       protestantischen Kirchen, eine mutige Anleihe. "Wir bekennen, die
       Zerstörung von Leben und Lebensglück nicht wahrgenommen, nicht verstanden
       und verharmlost zu haben", hieß es da. Und: "Einige von uns haben Buben und
       Mädchen dadurch die Kindheit gestohlen und sie der Fähigkeit beraubt,
       gelingende Beziehungen zu leben".
       
       Die Schuld der Vertuschung wurde angesprochen und die Mitschuld an weiteren
       Verbrechen. "Einige von uns konnten dadurch andere und sich selbst weiter
       belügen und ihre Verbrechen fortführen". Selbst auf das Grundübel wurde
       eingegangen: "Wir bekennen, dass wir über andere verfügen und sie besitzen
       wollten".
       
       Mehrere hundert Opfer sexueller oder physischer Gewalt sind in den letzten
       Wochen nach und nach an die Öffentlichkeit gegangen oder haben sich an eine
       Ombudsstelle der Kirche gewandt. Es ist, als wäre ein Damm gebrochen, denn
       bisher wurden Beschwerdeführer kaum gehört.
       
       Die Beschuldigten, soweit sie noch leben, zeigten wenig Einsicht und die
       Kirche hielt sich an das einst von Joseph Ratzinger als Chef der
       Glaubenskongregation verhängte Vertuschungsgebot. Bischof Elmar Fischer aus
       Vorarlberg wollte sich kürzlich an die vor über 20 Jahren verteilten
       Ohrfeigen erst gar nicht erinnern. Dann meinte er, diese seien aber oft
       heilsam gewesen.
       
       Zuletzt berichtete eine ehemalige Pflegerin aus einem Tiroler
       Behindertenheim der Barmherzigen Schwestern, wie sie vor 30 Jahren über
       physische Misshandlungen der Pflegebefohlenen ein Tagebuch geführt hatte.
       Als sie sich bei der Heimleiterin beklagte, wurde sie nicht nur entlassen.
       Man drohte ihr, sie würde in ganz Tirol keinen Job mehr bekommen! Gegenüber
       der Staatsanwaltschaft wurde so erfolgreich gemauert, dass Untersuchungen
       schnell im Nichts verliefen.
       
       Kardinal Schönborn betritt also mit seiner Bußfertigkeit Neuland. Vor
       wenigen Tagen bestellte er Waltraud Klasnic, die ehemalige Landeshauptfrau
       der Steiermark, zur Vorsitzenden einer unabhängigen Kommission, die
       Beschwerden von Misshandlungsopfern nicht nur entgegennehmen, sondern auch
       Entschädigungszahlungen leisten soll. Klasnic, weil zu kirchennahe, ist
       zwar umstritten, doch wird die Geste anerkannt.
       
       Und der katholische Publizist Hubert Feichtlbauer sieht im Bußgottesdienst
       einen großen Schritt. "Auch wenn Schönborn natürlich voll hinter dem
       Hirtenbrief des Papstes steht, wollte er ein deutliches Zeichen darüber
       hinaus setzen."
       
       1 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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