# taz.de -- Missbrauchsfall im US-Staat Wisconsin: Der Papst reagierte nicht
       
       > Ein amerikanischer Priester hat in Wisconsin 200 Jungen missbraucht. Der
       > Vatikan und der damalige Kardinal Ratzinger sollen zahlreiche Warnungen
       > ignoriert haben.
       
 (IMG) Bild: Der Schutz der Kirche hatte höchste Priorität.
       
       WASHINGTON dpa | Der Vatikan hat nach Angaben der New York Times nichts
       gegen einen amerikanischen Priester unternommen, der bis zu 200 gehörlose
       Jungen sexuell missbraucht haben soll. Auch der damalige Kardinal Joseph
       Ratzinger und heutige Papst Benedikt XVI. sei untätig geblieben, obwohl
       gleich mehrere US-Bischöfe gewarnt hätten, dass die Angelegenheit die
       Kirche in eine peinliche Lage bringen könne, berichtetet die Zeitung am
       Mittwochabend im Internet.
       
       Die New York Times berief sich dabei auf Dokumente, die sie nach eigenen
       Angaben von Anwälten erhalten hat, die Kläger gegen das Erzbistum von
       Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin vertreten. Daraus gehe hervor, dass
       sich Kirchenvertreter zwar über die Frage auseinandergesetzt hätten, ob der
       Priester aus seinem Amt entfernt werden solle. Aber der Schutz der Kirche
       vor einem Skandal habe die höchste Priorität gehabt.
       
       Im Mittelpunkt stand nach den Angaben der - 1998 gestorbene - Priester
       Lawrence Murphy, der von 1950 bis 1974 in einer bekannten Schule für
       gehörlose Kinder gearbeitet habe. 1996 habe der damalige Kardinal Ratzinger
       auf zwei Briefe des damaligen Erzbischofs von Milwaukee, Rembert G.
       Weakland, zu dem Fall nicht geantwortet.
       
       Acht Monate später habe Kardinal Tarcisio Bertone aus der vatikanischen
       Glaubenskongregation die Bischöfe in Wisconsin angewiesen, ein geheimes
       kircheninternes Verfahren einzuleiten, das zur Entfernung Murphys aus dem
       Amt führen könne. Bertone stoppte die Prozedur nach Angaben der Zeitung
       dann aber wieder, nachdem Murphy beim deutschen Kardinal Ratzinger
       schriftlich dagegen protestiert habe. Murphy argumentierte demnach, er habe
       bereut, sei krank und der Fall außerdem gemäß der Kirchenregeln bereits
       verjährt. In den ihr vorliegenden Unterlagen finde sich keine Antwort
       Ratzingers, heißt es in der New York Times. 
       
       Insgesamt wurden nach dem Bericht der Zeitung drei hintereinander
       amtierende Erzbischöfe in Wisconsin über den mutmaßlichen sexuellen
       Missbrauch in Kenntnis gesetzt, jedoch informierte keiner von ihnen die
       Behörden. So sei Murphy auch nie von einem staatlichen Gericht zur
       Rechenschaft gezogen worden. Erzbischof Weakland habe die Vorwürfe gegen
       Murphy 1993 untersuchen lassen. Murphy habe ausgesagt, dass er 200 Jungen
       belästigt habe. Er habe keine Reue gezeigt.
       
       Der Priester sei 1974 in eine Diözese im nördlichen Wisconsin versetzt
       worden. Dort habe er bis zu seinem Tod weiter in Gemeinden, Schulen und -
       laut einer Klageschrift - im Jugendstrafvollzug Umgang mit Kindern und
       Jugendlichen gehabt.
       
       Vatikansprecher Federico Lombardi nannte es in der Zeitung einen
       "tragischen Fall", weil Murphy "besonders verletzliche" Kinder missbraucht
       habe. Der Vatikan habe erst 1996 von den Vorfällen Kenntnis erhalten. Die
       US-Behörden hätten den Fall untersucht und das Verfahren eingestellt.
       
       26 Mar 2010
       
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