# taz.de -- Esoterikmesse: Neues aus der geistigen Welt
       
       > Der Markt für Übersinnliches ist ziemlich eng: Um sich da zu behaupten,
       > muss man sich schon mal eine Drahtkrone ins Haar stecken und auch gut mit
       > Engeln können.
       
 (IMG) Bild: Mit Drahtkrone: Die Magierin Merson-Lanskaja aus St. Petersburg.
       
       Die Drehtür entlässt eine Frau in die Birkenstraße. Sie mag ihre Augen
       nicht von ihrer rechten Hand wenden: Auf dem Handteller glänzt ein
       Kristall. Behutsam trägt sie ihn, wie eine rohes Ei, "ein Stein", murmelt
       sie halblaut, "für meine innere Klarheit", geht ihres Wegs, und: gut, dass
       du beiseite gesprungen bist, denkst du. Sonst hätts gescheppert.
       
       Sie nämlich kommt von der Esoterikmesse im World Trade Center. Und da gehts
       jetzt rein. Ob du auch so verstrahlt wieder rauskommst? Und wird sie
       unbeschadet die Straße überqueren?
       
       Esoterikmessen gibt es insgesamt 17 in diesem Jahr, an allen wichtigen
       Standorten, München, Wien, Frankfurt, Sindelfingen -. Sie dauern jeweils
       ein Wochenende, von Freitag bis Sonntag. Veranstalter ist eine
       Drei-Leutchen-GmbH mit Sitz in München, und Bremen haben sie sich just
       2010, das die chinesische Medizin, wie zu erfahren ist, als Jahr des
       Dickdarms ausgerufen hat, neu erschlossen.
       
       "Willst du mal reinkommen!", sagt eine dunkelhaarige Frau vor einem rosa
       Zeltchen. Ähm. Sie schaut streng und ihre Frage klingt fordernd, ähem, Zeit
       gewinnen!, Flyer durchwühlen!, da: E-so-terikmesse, doch, mit einem "s",
       nicht falsch gelesen.
       
       Was sie denn da anbietet …? "Chakrenlesen! Und Tarotkarten!" Wie sie das
       macht? "Das ist viel mehr, als nur in den Karten steht", sagt sie. Okay.
       Und wie genau? "Ich kann das." Woher? "Ich konnte das schon immer." Aha.
       Und wie sie das gemerkt hat? Da erklärt sie lieber, dass für die Sitzung
       der Vorhang geschlossen wird. Es soll 20 Minuten dauern, Kostenpunkt 40
       Euro. Dankeschön so weit. Baulo E. Blättner stammt aus München, ist seit
       1984 Schülerin des indische Mystikers Osho und stellt klar: "Man muss auch
       sehen, was wir hier an Standmiete zahlen", sagt sie, "mit wie viel Geld wir
       wieder nach Hause fahren". Auch spirituell begabte Menschen haben
       materielle Sorgen.
       
       Das lässt sich nachvollziehen. Es ist eine Verkaufsmesse. Es gibt auch
       Nützliches zum Mitnehmen: Steine wie gesagt, für die innere Klarheit, daran
       besteht Bedarf, oder feinstoffliche Bettwäsche, die Kinder vor der
       Selbsttötung bewahrt. Das Feinstoffliche kommt durch die aufgedruckten
       Grafiken in die Baumwolllaken. Herzhand aufs Muster, dreimal "Hun" wispern,
       schon hat deine Aura einen silbernen Mantel um, wie Spezialfotografien
       beweisen. Die Garnitur gibts à 90 Euro.
       
       Der Quadratmeterpreis für die Messestände liegt zwischen 66 und 77 Euro
       fürs Wochenende, unter drei Meter läuft gar nichts und, so im Geiste mal
       kalkuliert: die Blättner Baulo hat für ihr Séparée sicher über 800 Stutz
       löhnen müssen. Esoterik ist ein hartes Brot. Zumal sich die Massen ja nicht
       gerade drängeln. Abgesehen von den Ausstellern, das sind viele, auf kleinem
       Raum. Und dazu noch die aufgestiegenen Meister! Plus die Heerscharen von
       Engeln! Michael, Metatron, Gabriel und Tamantiel, die lassen sich doch von
       dem bisschen Vulkanasche nicht vom Fliegen abhalten, das kannst du wohl
       glauben.
       
       Oder eben nicht. Das ist ja der Kern der Esoterik: Das Wort stammt aus dem
       Griechischen, esoterikos heißt so viel wie innerlich, und gemeint ist damit
       eine Wahrheit, die treue Schüler direkt von ihrem Meister empfangen haben.
       Und die sie in einen Status der höheren Intelligenz hebt. Sprich: Hier wird
       gewusst. Und entweder weißt du mit. Oder eben nicht, und dann wirst du auch
       nicht dahinterkommen, was da gewusst wird. Das geht vielleicht auch gar
       nicht.
       
       Wo viel Konkurrenz ist, zahlt sich Aufmerksamkeit aus: Die Magierin
       Merson-Lanskaja aus St. Petersburg hat sich eine Drahtkrone gebastelt und
       geschmacklose Astro- und Jesus-Plakate ins Kabuff gehängt, da muss sie ja
       auffallen: Kein Wunder dass sich prompt zwei Kundinnen eingefunden haben,
       die brav mit dem Gesicht zur Wand sitzen, während die Russin fiepende Töne
       ausstößt, dann schaut sie aus der Trance heraus kurz rüber "fier welchen
       Zeitschrift?", fragt sie geschäftsmäßig, "aber natierlich" gestattet sie
       die Fotoaufnahme, und setzt ihre Verzückung fort.
       
       Andere Anbieter wollen durch Vorträge auf ihren Weg ins Licht und die dafür
       benötigten Accessoires hinweisen. Frau Specht zum Beispiel, Ursula Specht,
       die vom Rainbow-Team, hat sich die 20 Euro Aufschlag zur Standmiete
       geleistet. Und dass sich Medizinproduktberater Frank Wedlich, der
       anschließend die gesundheitlichen Effekte von alkalisch reduziertem Wasser
       darstellen wird, schon kurz vor Ablauf ihrer Zeit in den Saal setzt, hat
       sie so nicht vorhergesehen, und es bringt sie für einen Moment aus dem
       ohnehin schwer erkennbaren Konzept, und es schleicht sich etwas Panik in
       die ältliche Stimme, als sie ihn des Saales verweist.
       
       "Das war richtig!", kommentiert den Rauswurf ein älterer Zuschauer, der
       zuvor mit seinem guten Kontakt zu Erzengel Michael geprahlt hatte: Das
       erlaubt ihm, seinen Kartoffeln Energie durch Handauflegen zu übermitteln,
       so dass er - Frau Specht nickt andächtig, so geht ihr das wohl auch - nur
       eine braucht, statt zwei, um satt zu werden. Und wenn er Geld nötig hat,
       sagt ers ihm einfach, also dem Engel. Und dann kommts. Praktisch.
       
       18 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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