# taz.de -- Chronik der Sicherheitsgesetze: Der Weg zum Antiterrorstaat
       
       > Seit 2001 wurden fast im Jahresrhythmus neue Strafvorschriften und
       > Befugnisse für die Sicherheitsbehörden beschlossen. Obowohl es aus der
       > RAF-Zeit noch genug gab. Ein Überblick.
       
 (IMG) Bild: Schäuble dachte sich 2006 die Anti-Terror-Datei aus - schon nach einem Jahr waren 13.000 Personen erfasst.
       
       2001: Sicherheitspaket I (federführender Minister: Otto Schily)
       
       Nur wenige Wochen nach den Anschlägen wurde ein erstes Gesetzespaket
       beschlossen:
       
       - Strafbar ist jetzt auch die Mitgliedschaft und Unterstützung einer
       ausländischen terroristischen Vereinigung. Deutschland soll kein Ruheraum
       für Terroristen mehr sein. (§ 129b Strafgesetzbuch) Kritiker fürchteten,
       dass nun auch die Unterstützer von Befreiungsbewegungen kriminalisiert
       werden, was bisher nicht eingetreten ist.
       
       - Auch Vereine mit religiöser Zielsetzung können jetzt verboten werden. Das
       bisherige Religionsprivileg wurde gestrichen. Die Verschärfung zielte auf
       den Kölner Kalifatstaat.
       
       ***
       
       2002: Sicherheitspaket II (Schily)
       
       Offziell hieß das Paket "Terrorismusbekämpfungsgesetz", inoffiziell
       "Otto-Katalog" nach dem damaligen Innenminister Otto Schily (SPD). Es sah
       eine Vielzahl eher unspektakulärer Verbesserungen für die
       Sicherheitsbehörden vor. Hier nur eine kleine Auswahl:
       
       - Der Verfassungsschutz darf Informationen bei Banken, Fluglinien und
       Telekommunikationsunternehmen einholen.
       
       - Das Bundeskriminalamt (BKA) darf im Vorfeld der Strafverfolgung Auskünfte
       einholen.
       
       - Wer bei einer sicherheitsempfindlichen Infrastruktur arbeitet, etwa bei
       der Energie- oder Wasserversorgung, wird sicherheitsüberprüft. um Sabotage
       zu erschweren.
       
       - Ausländer- und Asylbehörden müssen öfter Informationen über gefährliche
       Ausländer von sich aus an den Verfassungsschutz weitergeben.
       
       - Ausländer im Terror-Umfeld können ausgewiesen werden, der Rechtschutz
       dagegen wird stark eingeschränkt. (2004 wird der Rechtschutz sogar auf eine
       Instanz verkürzt, das Instrument wird in der Praxis aber kaum angewandt).
       
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       2002: Rasterfahndung (Länder)
       
       Kurz nach den Anschlägen von 2001 begann in den Bundesländern eine vom BKA
       koordinierte, präventive Suche nach noch unentdeckten islamistischen
       Terroristen, so genannten Schläfern. Drei Bundesländer -
       Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen - mussten dazu 2002 erst
       einmal die Rasterfahndung in ihren Polizeigesetzen einführen.
       
       Obwohl die Polizei die Daten von 8,3 Millionen Menschen erfasste und am
       Ende 1.689 muslimische (Ex-)Studenten näher überprüfte, wurde kein einziger
       potenzieller Terrorist gefunden. Im Mai 2006 hat das
       Bundesverfassungsgericht diese präventive Rasterfahndung beanstandet. Als
       Voraussetzung müsse künftige eine "konkrete" Gefahr von Anschlägen
       vorliegen, eine bloße Spannungslage genüge nicht. Mehrere Länder mussten
       daraufhin die Hürden für präventive Rasterfahndungen anheben.
       
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       2004 Terrorismusabwehrzentrum (Schily)
       
       Auf einem ehemaligen Kasernengelände in Berlin-Treptow wurde ein
       Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) eingerichtet. Dort tauschen
       rund 240 Beamte von 40 Behörden in zwei getrennten Runden Informationen
       aus. Die polizeilichen Antiterror-Experten von Bund und Ländern arbeiten im
       einen Gebäude. Nebenan tagen die Geheimdienstler von Bund und Ländern. Seit
       2007 ist am GTAZ auch ein Gemeinsames Internetzentrum (GIZ) angesiedelt,
       das zum Beispiel islamistische Webseiten zentral auswertet.
       
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       2005 Luftsicherheitsgesetz (Schily)
       
       Das Gesetz erlaubte der Bundeswehr, ein entführtes Passagierflugzeug
       mitsamt den Passagieren notfalls abzuschießen, falls der Jet nach New
       Yorker Muster als Waffe benutzt werden soll. Diese Regelung erklärte
       Karlsruhe jedoch 2006 für verfassungswidrig, weil sie die Menschenwürde der
       unschuldigen Passagiere verletzt. Der spätere Innenminister Wolfgang
       Schäuble (CDU) versuchte, die Vorschrift neu einzuführen, indem er al
       Qaida-Angriffe als eine Art von Verteidigungsfall einstufte. Die SPD machte
       hierbei aber nicht mit.
       
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       2005 Biometrischer Reisepass (EU/Schily)
       
       Der neue Reisepass setzt eine EU-Vorgabe von 2004 um, für die sich vor
       allem der deutsche Innenminister Schily eingesetzt hatte. Seit 2005 müssen
       neue Reisepässe ein digitalisiertes Passbild enthalten. Seit 2007 kommt
       noch ein digitalisierter Fingerabdruck hinzu. Dies soll verhindern, dass
       jemand den Pass einer nur ähnlich aussehenden Person vorzeigt und wurde
       auch mit Terror-Gefahren begründet.
       
       2007 konnte die SPD in der großen Koalition verhindern, dass die
       digitalisierten Fingerabdrücke aller Paßinhaber bei den Behörden
       registriert werden. Die Passfotos werden dort zwar schon lange gespeichert,
       die Polizei bekam jedoch nur einen begrenzten Online-Zugriff auf die
       Bilder.
       
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       2006 Anti-Terror-Datei (Schäuble)
       
       Polizei und Geheimdienste erhalten eine gemeinsame Anti-Terror-Datei. Sie
       enthält keine neuen Erkenntnisse, sondern zeigt im wesentlichen nur an, bei
       welcher Sicherheitsbehörde Informationen zu einer Person gespeichert sind.
       Neben Bürgerrechtlern waren vor allem die Geheimdienste gegen die Datei,
       weil sie Angst um die Vertraulichkeit ihrer Quellen hatten. 2007 waren
       bereits 13.000 Personen in der Datei gespeichert, drei Viertel davon lebten
       im Ausland.
       
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       2006 Terrorismusbekämpfungs-Ergänzungsgesetz (Schäuble)
       
       Ein Großteil der Regelungen des 2. Sicherheitspakets war auf fünf Jahre
       befristet. Sie mussten nun verlängert werden und wurden dabei auch
       ausgeweitet. Geheimdienstbefugnisse die sich zunächst nur auf
       Terrorverdächtige bezogen, wurden nun auf Extremisten ausgedehnt, die
       Gewalt fördern. Befugnisse die zunächst nur für den Verfassungsschutz
       galten, wurden Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst
       ausgeweitet.
       
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       2008 Vorratsdatenspeicherung (EU/Zypries)
       
       Nicht nur, aber auch zur Terrorbekämpfung diente die vorsorgliche
       Speicherung von Telkekom-Verbindungsdaten. Sechs Monate musste gespeichert
       werden, wer wen wann angerufen hat oder eine Email schrieb. Auch der
       Standort von Mobiltelefonen und die Einwahl ins Internet wurde gespeichert.
       Im März 2009 hat Karlsruhe das Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Unter
       anderem müssen die Daten besser vor Missbrauch geschützt werden. Da die
       Vorratsdatenspeicherung auf einer EU-Richtlinie beruht, muss die
       Bundesregierung ein neues Gesetz vorbereiten.
       
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       2008 BKA-Novelle (Schäuble)
       
       Mit der Reform, die seit 2009 in Kraft ist, erhielt das Bundeskriminalamt
       erstmals Befugnisse zur Gefahrenabwehr, die allerdings auf den
       internationalen Terrorismus beschränkt sind. Bisher waren die Länder für
       reine Prävention zuständig. Für die neue Aufgabe bekam das BKA eine
       Vielzahl von Eingriffsbefugnissen. Am umstrittensten war die
       Online-Durchsuchung, das heißt die heimliche Ausspähung von
       Computer-Festplatten.
       
       Hier hielt sich die große Koalition streng an ein Urteil des
       Bundesverfassungsgericht von 2008. Darin hatte Karlsruhe zwar ein
       NRW-Landesgesetz beanstandet, aber Online-Durchsuchungen in gewissem Rahmen
       akzeptiert.
       
       Gegen die BKA-Novelle ist noch eine Verfassungsbeschwerde der FDP-Politiker
       Burkhard Hirsch und Gerhart Baum anhängig, über die aber nicht mehr dieses
       Jahr entschieden wird. Im Koalitionsvertrag haben Union und FDP kleinere
       Nachbesserungen vereinbart. Unter anderem soll der private Kernbereich
       besser gegen polizeiliche Ton- und Filmaufnahmen außerhalb der Wohnung
       geschützt werden.
       
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       2009 Strafbarkeit von Besuchen im Terrorcamp (Zypries)
       
       Weil islamistische Terroristen sich meist nicht in festen Terrorgruppen
       organisieren, greifen keine Strafvorschriften wie § 129a, der die
       Mitgliedschaft in solchen Gruppen verbietet. Deshalb werden jetzt auch
       Vorbereitungshandlungen von Einzelpersonen unter Strafe gestellt. Hierzu
       gehört der Besuch terroristischer Ausbildungslager, aber auch die
       Beschaffung von Grundstoffen zur Sprengstoffherstellung und die Sammlung
       von Geld zur Finanzierung von Anschlägen. Es drohen bis zu zehn Jahre Haft.
       
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       20 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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