# taz.de -- Kommentar 1. Mai: Gewaltiges Volksfest
       
       > In Berlin fand der mit Abstand friedlichste 1. Mai seit langer Zeit
       > statt. Nicht Repression, sondern ein differenzierter Umgang mit
       > Linksradikalen war ausschlaggebend.
       
 (IMG) Bild: Thierse - blockier 'se: So heißt mittlerweile sogar eine Gruppe bei Facebook - mit 440 Mitgliedern.
       
       BERLIN taz | Tote. Hätte man konservativen Innenpolitikern vor dem
       diesjährigen 1. Mai Glauben geschenkt, dann wäre die Frage nicht gewesen,
       ob es Tote gibt, sondern nur noch, wie viele es durch linke Gewalttäter
       geben wird. Stattdessen fand in Berlin der mit Abstand friedlichste 1. Mai
       seit langer Zeit statt - vielleicht gar seit dem 1. Mai 1987, der Mutter
       aller Berliner Krawallrituale. Nicht Repression, sondern ein
       differenzierter Umgang mit Linksradikalen war ausschlaggebend.
       
       Gerade nach der überhitzten Debatte über linksextreme Gewalt wäre es für
       die Berliner Beamten leicht gewesen, ein hartes Vorgehen gegen die linken
       Demonstranten zu begründen. Stattdessen perfektionierte sie ihre über Jahre
       geübte Deeskalationsstrategie: weitgehende Zurückhaltung an der
       Demonstrationsstrecke, konsequentes Eingreifen gegen tatsächliche
       Randalierer. Das bedeutet leider noch lange nicht, dass es keine Übergriffe
       gegen Demonstranten mehr gibt. Aber wenn die Polizei so schnell gegen sich
       selbst zu ermitteln beginnt wie in diesem Jahr, schafft auch das Vertrauen
       bei geübten Skeptikern.
       
       Hinzu kommt die Neudefinition das Tages durch das Myfest. Über Jahrzehnte
       war der 1. Mai in Kreuzberg Synonym für Gewalt. Heute steht er auch für ein
       Volksfest mit zehntausenden Besuchern, die nicht nur aus Berlin kommen. Das
       erschwert es Randalierern, vor allem aber der Polizei, den Kiez in ein
       Schlachtfeld zu verwandeln. Zwar rügen Kritiker zu Recht, dass der
       politische Gehalt des Festes gen null tendiert. Aber das gilt auch für die
       Motivlage der Steinewerfer.
       
       Befriedend wirkte zudem die klare Distanzierung von linksextremer Gewalt -
       gerade durch Grüne und Linkspartei. Die Antifaschistische Linke Berlin
       (ALB), seit Jahren maßgeblicher Organisator der Kreuzberger Mai-Demo, gab
       sich in diesem Jahr handzahm wie nie - auch um einer Verbotsdiskussion zu
       entgehen.
       
       Dass diese klare Distanzierung noch lange nicht den Ausschluss sämtlicher
       Formen des zivilen Ungehorsams bedeuten muss, hat am Samstag das rot-grüne
       Blockadequartett um den alten Zausel Wolfgang Thierse bewiesen. Mit ihrer
       Aktion haben sie nicht nur die NPD genervt, sondern ganz nebenbei gezeigt,
       dass es durchaus opportun sein kann, sich an politischen Aktionen zu
       beteiligen, selbst wenn sie den Legalitätsrahmen sprengen und - was bis
       Samstag fast noch schlimmer erschien - von linksradikalen Gruppen initiiert
       wurden.
       
       2 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gereon Asmuth
       
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