# taz.de -- Die Zukunft von Tempelhof: Der Berg in den Köpfen
       
       > Was tun mit Tempelhof? Wir denken uns ein Bergmassiv aus und vermarkten
       > es. Die sonderbare Idee eines Berliner Architekten-Teams macht weltweit
       > Furore. Doch es gibt noch mehr Vorschläge - die ernst gemeint sind.
       
 (IMG) Bild: Der Gipfel - auch der der absurden Ideen.
       
       Vorschlag 1: Der Berg 
       
       Der Hype begann, als Jakob Tigges offiziell schon aus dem Rennen um die
       Parkgestaltung des Tempelhofer Feldes war. Chinesische Zeitungen
       berichteten, Berliner Grundschüler malten und eigens angereiste
       australische Bergbauingenieure klingelten an der Bürotür des Architekten.
       "Wir haben offenbar einen Sehnsuchtsort entworfen", sagt Tigges.
       
       Der Ort, von dem er spricht, trägt zwei Gipfel, einer davon ist 1.071 Meter
       hoch. Er lädt zum Wandern und Skifahren, hat Platz für Ziegen und
       Almhütten: Tigges und sein Team haben für Tempelhof einen Berg erdacht.
       
       [1]["The Berg"], um genau zu sein. Der Architekt, der an der Technischen
       Universität lehrt und ein Büro in Mitte leitet, reichte den Vorschlag bei
       der Senatsverwaltung ein. Zusammen mit einer Werbekampagne, angelehnt an
       die offizielle Berlin-Werbung: "Berlin verbindet", "Berlin wagt" und
       natürlich "Berlin ruft". Von der Jury kamen die Unterlagen zurück, versehen
       mit dem Stempel: "Nicht realisierbar."
       
       "Klar waren wir enttäuscht, schließlich durfte die Öffentlichkeit unseren
       Vorschlag nicht einmal sehen", sagt Tigges rückblickend. Hat vielleicht der
       Senat etwas nicht verstanden? Den Köpfen hinter "The Berg" ging es nie um
       den realen Bau. "Wir sind so kaltschnäuzig, dass wir nur behaupten, den
       Berg zu haben." Vermarktet wird die Idee - und das schafft Gemeinsames: Wir
       tun so als ob, und zwar alle zusammen. Auf Postkarten würden Motive
       abgedruckt, auf Stadtplänen sollte "The Berg" eingezeichnet werden, die
       Taxifahrer davon erzählen. Der Berg würde zur Touristenattraktion
       schlechthin.
       
       Die Architekten wollten mit ihrem Projekt auch gegen die Ideenlosigkeit in
       der Stadt angehen. Tempelhof biete mehr als fünf Wohnquartiere und einen
       Park. "The Berg" sei die "visualisierte Forderung nach einer schöneren
       Idee", sagt Tigges.
       
       Als sich die Enttäuschung über die abweisende Haltung aus dem Senat gelegt
       hatte, richtete Tigges eine Facebook-Seite zu seinem Projekt ein. Eine
       überregionale Tageszeitung griff das Thema auf, verband es mit der
       Ideenlosigkeit der übrigen Wettbewerbsbeiträge. Eine andere ließ einen
       Physiker den Schattenwurf der zwei Gipfel berechnen. Medien weltweit
       reagierten. Internetnutzer schickten U-Bahn-Pläne, in denen eine
       Bergstation eingezeichnet war. Ein Pistennetz um den Rosinen- und den etwas
       niedrigeren Bombergipfel entstand.
       
       "Es hört nicht auf", sagt Tigges. Derzeit sind an die 70 großformatige
       Bilder mit Bergmotiv in antiken Rahmen an Szenekneipen vermietet. Das
       Architekten-Team hat Postkarten mit Collagen drucken lassen und mit Hilfe
       eines Sponsors aus der Alpenregion Gucklochkameras in Almhüttenform
       entworfen. Die Idee vermarktet sich, ganz im Sinne der Macher. In der
       Londoner U-Bahn hängt seit einiger Zeit eine großflächige Berlin-Werbung:
       "The Berg".
       
       KRISTINA PEZZEI
       
       Vorschlag 2: Landwirtschaft 
       
       Die Idee klingt utopisch: Mit einem 80 Hektar großen Nachbarschaftsgarten
       sollen sozial ausgegrenzte Bevölkerungsteile Hilfe zur Selbsthilfe bei der
       "Wiedergewinnung von Autonomie über ihr direktes Lebensumfeld" erhalten. So
       steht es in der Ideenskizze. Nachbarschaftsnetzwerke sollen die auf
       transparente Weise erarbeiteten Produkte gratis verteilen. Selbst eine
       eigene Bäckerei wird angedacht.
       
       Hinter dieser Initiative steckt eine angeblich rund zehnköpfige Gruppe. Der
       Öffentlichkeit stellte sich der
       "[2][tempelgaerten&catid=17:projekte&Itemid=3:TempelGärten] e.V. in
       Gründung" am vergangenen Wochenende erstmals bei der Öffnung des
       Ex-Flughafengeländes vor. Da direkte Pflanzungen verboten waren, wurden
       Flugzettel verteilt und Beete auf Fahrrädern, die "wie Pfingstochsen
       geschmückt" waren, herumgefahren, wie Elisabeth Meyer-Renschhausen
       berichtet.
       
       Die Privatdozentin für Soziologie an der FU Berlin ist eines der
       Gruppenmitglieder, die die globale Perspektive des Projekts mit eigenen
       Erfahrungen unterfüttern können. Sie veröffentlichte 2004 ein Buch über
       "Community Gardens in New York City" und kann deshalb gerade die "große
       sozial-integrative Funktion" von Stadtgärten und urbaner Landwirtschaft
       bestätigen. In New York habe "die gesamte Stadtgemeinschaft" profitiert.
       
       Die Forscherin geht davon aus, dass auch in der Senatsverwaltung für
       Stadtentwicklung prinzipielle Sympathien zumindest für sogenannte
       Interkulturelle Nachbarschaftsgärten bestehen. So seien sie auch für die
       Internationale Gartenbauausstellung (IGA) durchaus erwünscht, die 2017 auf
       dem Tempelhofer Feld stattfinden soll.
       
       Doch die Hürden für derartige Projekte sind hoch. Zwar wollte sich auch die
       Gruppe bei der Ausschreibung des Senats für die IGA bewerben. Doch sei die
       Hälfte der bis Mitte Mai laufenden Bewerbungsfrist schon verstrichen
       gewesen, als der Entschluss gefasst wurde, berichtet die beteiligte
       Studentin Maren Streibel. Zudem überfordere alleine das Lesen der vielen
       formalen Anforderungen das Zeitbudget der Gruppe.
       
       Sie ist nicht einverstanden mit dem Verfahren: "Vom Senat ist so viel
       vorgegeben, und wir, die wir hier wohnen und Ideen haben, wir können nicht
       mitbestimmen." Sie schwankt zwischen Enthusiasmus und Verzweiflung: "Ich
       kenne so viele Leute und Gruppen, die das unterstützen wollen - man müsste
       mal zeigen: Die Berliner wollen das!" Eventuell wird nun erst einmal eine
       Unterschriftenkampagne gestartet.
       
       RALF HUTTER
       
       Vorschlag 3: Sport für junge Menschen 
       
       Neuköllner Kids und Teenies aus sozial benachteiligten Familien sollen sich
       auf dem ehemaligen Flugfeld in einem Hochseilpark, beim Skaten,
       Streetdancen oder anderen aktionsgeladenen Sportarten austoben können.
       "Trendbewusst und cool soll der Platz werden, damit er die Kids wirklich
       anspricht", erklärt Robert Merk seine Idee. Mit der hat der
       Diplompsychologe bei einem 2007 vom Senat initiierten
       Online-Ideenwettbewerb für die Nutzung des ehemaligen Flughafens [3][den
       zweiten Platz] belegt.
       
       "Wir wollen ein Freizeitangebot, das öffentlich, sozial und
       partizipatorisch sein soll", erklärt der Initiator. Partizipatorisch
       bedeutet in dem Fall, dass die späteren Nutzer - also die Kinder und
       Jugendlichen - an der Planung beteiligt sein sollen. Dafür hat er bereits
       soziale Einrichtungen und Schulen in Neukölln als Partner in sein Projekt
       eingebunden. Welche das sein sollen, will er jedoch nicht verraten. Genauso
       wenig wie die Fördermittel, die in Aussicht gestellt worden. Finanziert
       werden soll das Ganze mit einem Mischkonzept: Neben den Fördermitteln
       sollen öffentliche und Sponsorengelder wie auch ein Gastronomiebetrieb und
       die Veranstaltung kommerzieller Events die anfallenden Kosten decken.
       
       Seine Zielgruppe hat Merk schon fest mit eingebunden und die Kinder und
       Jugendlichen nach ihren Wünschen gefragt. "Die Kinder haben sich Gokart
       oder Paintball gewünscht, aber auch ganz klassisch einen Bolzplatz mit
       Flutlicht", erzählt Merk. Soziale Einrichtungen aus dem Bezirk Neukölln
       sollen die pädagogische Betreuung des Platzes übernehmen.
       
       So weit seine Vorstellung. "Wir finden die Idee gut und würden uns freuen,
       wenn sie umgesetzt wird. Jetzt muss noch ein tragfähiges Konzept vorgelegt
       werden", sagt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für
       Stadtentwicklung. Robert Merk ist da optimistisch: "Wenn es mit den
       Fördermitteln klappt, wird es ab Sommer die ersten Sportmodule auf dem
       Platz geben", sagt er. Darüber, wo gebolzt, getanzt und geklettert werden
       kann, verhandelt er derzeit mit Senat, Parkverwaltung und der zuständigen
       Projektgesellschaft. Auch die Größe ist noch unklar. "Aber 25.000
       Quadratmeter brauchen wir mindestens", sagt Merk. Das wäre nur ein Prozent
       des gesamtem Tempelhofer Feldes.
       
       KATHLEEN FIETZ
       
       15 May 2010
       
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