# taz.de -- Verkürzung des Zivildienstes: Kurzdienst wird lang
       
       > Die Wohlfahrtsverbände wollen Zivis schon bei der Bewerbung fragen, ob
       > sie statt sechs nicht zwölf Monate Dienst machen. Damit wird die
       > Verlängerung nicht wirklich freiwillig.
       
 (IMG) Bild: Sechs Monate Zivildienst reichen nicht, sagen die Wohlfahrtsverbände.
       
       BERLIN taz | Die Wohlfahrtsverbände setzen darauf, dass viele junge Männer
       ab dem 1. August ihren Zivildienst auf bis zu ein Jahr verlängern.
       Grundlage dafür soll das neue Wehrrechtsänderungsgesetz werden, das heute
       durchs Bundeskabinett gehen soll.
       
       Eigentlich sollen damit Wehr- und Zivildienst von neun auf sechs Monate
       verkürzt werden. Doch weil die Verbände klagten, mit Sechs-Monats-Zivis
       könnten sie nichts mehr anfangen, hat die Union die "freiwillige
       Verlängerungsmöglichkeit" geplant. Auf Drängen der FDP sollen die jungen
       Männer aber erst zwei Monate nach Dienstantritt sagen müssen, ob sie ein
       halbes Jahr bleiben – oder doch ein ganzes.
       
       Dies jedoch halten die Arbeitgeber der Zivis für unrealistisch. "Wir gehen
       davon aus, dass es Träger geben wird, die erwarten, dass die Zivis sich für
       länger festlegen" – und zwar schon beim Vorstellungsgespräch, erklärt die
       Sprecherin des Paritätischen Gesamtverbands Gwendolyn Stilling. Die
       vorgesehene Regelung sei doch recht "alltagsfern", sagt Stilling. "Das ist
       halt ein politischer Kompromiss."
       
       Der Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität, Bernd Niederland, sagt,
       dass die jungen Männer heute bereits bei ihrer Vorstellung befragt würden,
       wie lange sie blieben. Dies sei auch weiterhin "sinnvoll". Claudia
       Kaminski, Sprecherin des Malteser Hilfsdienstes, bestätigt: "Wünschenswert
       ist natürlich eine frühzeitige Entscheidung." Bestimmt würden die
       Dienststellen sich bei der Bewerbung des jungen Mannes erkundigen, ob eine
       Verlängerung für ihn in Frage komme. Wie dieser sich dann verhalte, "das
       muss man schon dem mündigen Zivi überlassen".
       
       Genau dieser mündige Zivi könnte aber ebenso gut auch ein wenig lügen, gibt
       Otto Hildesheim, Zivildienst-Zuständiger vom Arbeiter Samariter Bund, zu
       bedenken. "Vielleicht behauptet er auch nur, ein Jahr machen zu wollen, um
       die Stelle zu kriegen."
       
       Denn wer beim Träger seiner Wahl nicht unterkommt, wird im Zweifel fern vom
       Wohnort an eine ungewisse Stelle gesetzt. Die "Freiwilligkeit" der jungen
       Männer könnte künftig also eng damit zusammenhängen, wie attraktiv eine
       Stelle ist und ob der Verband einen Bewerber findet, der für zwölf statt
       bloß für sechs Monate zusagt.
       
       Im Gesetzentwurf schätzt das zuständige Familienministerium, dass ein
       Drittel der aktuell 90.000 Zivis "durchschnittlich vier bis fünf Monate"
       verlängern wird, und plant hierfür 75 Millionen Euro Mehrbedarf ein. Laut
       Entwurf kann ein verlängernder Zivi nur aus "Härtegründen" selbst kündigen
       – diese würden aber später nicht geprüft.
       
       Die Grünen griffen die Koalition am Dienstag heftig für den erst nach
       monatelangem Streit gefundenen Kompromiss an. "Ein hanebüchenes Konstrukt"
       nannte der Grünen-Zivildienstpolitiker Kai Gehring die Regelung. "Das ist
       und bleibt eine Verlängerung durch die Hintertür." Gehring geht davon aus,
       dass es im Bundesrat keine Mehrheit für das Gesetz geben wird. Es sei auch
       verfassungsrechtlich fragwürdig, dass der Zivildienst derart erweitert
       werde. Laut Grundgesetz muss er sich eng am Wehrdienst ausrichten.
       
       Ebendeshalb erklärte auch die Kriegsdienstverweigerer-Lobby, die
       Zentralstelle KDV, dass die "Verlängerung" in Wahrheit ein "neues
       öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis" sei. Die Zivis sollten
       offensichtlich als Billigpflegearbeitskräfte dienen, wo eigentlich Tarif-
       und Mindestlöhne gezahlt werden müssten.
       
       19 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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