# taz.de -- Neuer Gaza-Konvoi geplant: Volksfest für die "Helden"
       
       > Die Rückkehr der Gaza-Aktivisten in die Türkei ist fast schon eine
       > ausgelassene Siegesfeier – wenn die neun Toten nicht wären.
       
 (IMG) Bild: Trauerzug in Istanbul für die bei der Gaza-Hilfsaktion Getöteten.
       
       ISTANBUL taz | Von einer Bühne am Rand des zentralen Taksim-Platzes in
       Istanbul röhrt eine Stimme. Abdelrahman Dilipak ist eine führende Figur der
       türkischen Islamistenszene, und er hämmert noch einmal allen ein, wie
       schlimm Israel sei. Doch der überwiegende Teil der mehreren tausend
       Menschen ist nicht sonderlich interessiert.
       
       Man redet, schwingt ab und zu seine Palästinenserfahne und sammelt sich um
       die Buffets. Es ist nach Mitternacht, und die Stimmung ist ganz und gar
       nicht hasserfüllt, wie Israels Regierungschef Netanjahu glauben machen
       wollte, sie ähnelt einem Volksfest. Die Leute sind freudig erregt, weil in
       Kürze auf dem Flughafen "ihre Helden" aus Gaza landen werden. Knapp 500
       Aktivisten sind in den drei Maschinen, die Mehrzahl Türken, aber auch sechs
       Deutsche und Angehörige anderer Nationalitäten.
       
       Nur die neun Särge, die auch ankommen, dämpfen die Stimmung. Noch in der
       Nacht verdichteten sich Gerüchte, dass alle neun Toten Türken seien, einer
       von ihnen Amerikaner türkischer Herkunft. Am Donnerstagmorgen ist es
       amtlich. Laut Obduktion wurden alle erschossen. Während die Menge auf dem
       Taksim-Platz die Landung auf Leinwand verfolgt, nimmt der stellvertretende
       Ministerpräsident Bülent Arinc die Rückkehrer in Empfang. Die Toten werden
       als Märtyrer geehrt.
       
       Die israelische Armee behauptet zwar, dass sich die auf der "Mavi Marmara"
       von israelischen Soldaten Erschossenen bereits vor dem Ablegen zum
       Märtyrertod entschlossen hätten, und sie wollte das am Donnerstag mit einem
       Video untermauern. Alle Rückkehrer versichern hingegen, sie hätten nicht
       mit dieser Eskalation gerechnet. Viele der Teilnehmer sagen, dass für sie
       der Hauptzweck war, die israelische Gaza-Blockade zu brechen.
       
       Die türkischen Organisatoren, die islamische Wohlfahrtsorganisation IHH,
       rechnete wohl mit Konflikten, allerdings in der Art von Rangeleien. "Dass
       es Tote gab, hat uns alle geschockt", sagte der Leiter von IHH, Bülent
       Yildirim, im türkischen Fernsehen. Er bestätigte, dass IHH-Aktivisten mit
       Stöcken gegen die Soldaten losgegangen seien, als diese sich von
       Hubschraubern abseilten. Man habe ihnen auch Waffen entrissen, diese aber
       sofort ins Meer geworfen.
       
       Die IHH ist Hauptorganisatorin der Schiffe und keineswegs professionell
       organisiert. Ihre Zentrale liegt im konservativ-religiösen Istanbuler
       Stadtbezirk Fatih. Die IHH wirkt unter dem Ansturm der Öffentlichkeit
       überfordert. Gegründet wurde sie während des Balkankrieges, um muslimischen
       Bosniaken zu helfen. Die IHH war danach an verschiedenen Orten aktiv, seit
       zwei Jahren konzentriert man sich auf Gaza. Rund 20 Aktivisten des IHH sind
       derzeit dort aktiv.
       
       Die angebliche Gefährlichkeit der IHH, auf die in westlichen Medien derzeit
       verwiesen wird, basiert auf einem französischen Geheimdienstbericht vom
       Balkankrieg. Darin wird ihr vorgeworfen, sie hätte islamische Kämpfer nach
       Bosnien geschleust. 1997 hat sich auch der türkische Geheimdienst mit der
       IHH befasst, als es darum ging, den Militärputsch gegen die islamistische
       Regierung Erbakan vorzubereiten. Beide Berichte spiegeln das
       dahinterstehende politische Interesse.
       
       Allerdings hat IHH-Chef Yildirim die Gunst der Stunde erkannt. "Wir werden
       einen neuen Konvoi zusammenstellen, so lange, bis die Blockade aufgehoben
       ist." Ein Schiff unter irischer Flagge, dass wegen Motorschadens in Malta
       liegen geblieben war, ist auf dem Weg nach Gaza. Das irische
       Außenministerium hat Israel dringend aufgefordert, das Schiff passieren zu
       lassen.
       
       4 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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