# taz.de -- 30. Wendland-Jahrestag: Bergwerk Gorleben umzingelt
       
       > Bei der Demonstration am Wochenende im Wendland ging es nicht nur
       > friedlich zu. 12 Verletzte gab es, drei Aktivisten wurden vorübergehend
       > in Gewahrsam genommen.
       
 (IMG) Bild: Polizisten kreisen das Anti-Atom-Dorf in gorleben am 4. Juni 1980 ein.
       
       GORLEBEN taz | Für Atomkraftgegner gibt es künftig eine neue Anlaufstelle -
       eine sechseckige Hütte im Gorlebener Wald. Am Wochenende weihten
       Zimmerleute und Landwirte die Undine-von-Blottnitz-Hütte mit etlichen
       Litern Wendlandbräu ein. Von Blottnitz - vor neun Jahren gestorben - war
       Mitglied der Grünen und kämpfte gegen die Lagerung von atomarem Müll im
       niedersächsischen Gorleben. Sie war dabei, als vor 30 Jahren 10.000
       Polizisten die "Republik Freies Wendland" räumten. Damals gab es viel Ärger
       - und Protest. Und der Aufruhr ist wieder da.
       
       Es gab nicht nur das Richtfest, sondern auch Demonstrationen am Wochenende
       in Gorleben - zur Erinnerung an das gewaltsame Ende des Hüttendorfs 1980.
       Und: aus Protest gegen die Pläne von Bundesumweltminister Norbert Röttgen
       (CDU), den Salzstock in Gorleben weiter zu erforschen. Es kamen viele
       Leute, die inzwischen graue Haare haben. Aber auch die alten
       Anti-Atom-Protestler sind noch immer hochaktiv.
       
       Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms ist so eine, die von Beginn an
       im Widerstand dabei war. Sie kann erzählen von den ersten Protesten gegen
       das "nukleare Entsorgungszentrum" 1977. Vom großen Treck der
       Lüchow-Dannenberger Bauern nach Hannover zwei Jahre später und von den
       gescheiterten Versuchen, die Tiefbohrungen in dem Gorlebener Salzstock
       durch "Baumblockaden" zu verhindern. "Die Polizei war immer schon da,
       deshalb wollten wir dieses Mal die Ersten sein", sagte Harms. Auch am
       Wochenende. Es ging nicht nur friedlich zu.
       
       Samstag, Demonstration, der Beginn: "Sitzkissen, Strahlenschutzanzüge!
       Leute, nehmt Sitzkissen und Strahlenschutzanzüge mit, die Belagerung kann
       länger dauern!" Am Gorlebener Erkundungsbergwerk verteilen zwei Frauen
       weiße Anzüge aus reißfestem Papier. Mehr als 1.000 Demonstranten zählte die
       BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, 400 bis 500 waren es nach Angaben der
       Polizei, die zur symbolischen "Umzingelung" des Bergwerks kamen.
       
       Einige Demonstranten rüttelten beim Spaziergang ums Bergwerk am Zaun.
       Manche wollten Transparente befestigen. Polizisten gingen gegen sie vor.
       "Mit körperlicher Gewalt", sagte Polizeisprecher Thilo Koch. "Das war ein
       völlig überzogener Schlagstockeinsatz", schimpften Umweltschützer. Auch
       Pfefferspray sei eingesetzt worden. Die BI berichtete von zwölf Verletzten.
       Drei Demonstranten wurden festgenommen, waren abends aber wieder auf freiem
       Fuß.
       
       Vor 30 Jahren waren es bedeutendere Vergehen, die den Atomgegnern
       vorgeworfen wurden. Der Rechtsanwalt Wolf Römmig brachte am Wochenende eine
       Erklärung des damaligen niedersächsischen Innenministers Egbert
       Möcklinghoff (CDU) mit. Für Möcklinghoff war die Proklamierung der Republik
       Freies Wendland "Hochverrat gegen die Bundesrepublik Deutschland", weil ein
       Teil des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland abgespalten werde.
       
       Wie der Hochverrat damals aussah? Viele Besetzer in der Republik Freies
       Wendland zimmerten damals Hütten, legten Gemüsebeete an, bauten Windräder
       und verwirklichten so ihre Träume vom anderen Leben. Andere stritten sich
       im täglichen "Sprecherrat" über die Widerstandsformen, so sagt die
       Journalistin Gabi Haas. "Es gab keine Mehrheitsentscheidungen, sondern das
       Konsensprinzip." Es sei so lange diskutiert worden, bis alle sich hinter
       eine Entscheidung stellten. "Wer das nicht konnte, musste gehen", sagte
       Haas. Es ging am Wochenende nicht nur um Erinnerung.
       
       Die BI-Vorsitzende Kerstin Rudek kündigte einen "heißen Herbst" und
       "Massenproteste" gegen Castortransporte nach Gorleben an: "Wir werden da
       sein, wo sie uns nicht haben wollen, und wir werden viele sein."
       
       6 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA