# taz.de -- Es ist überall drin: Unser täglich Öl
       
       > Es steckt im Pulli, in Tabletten, im Computer und Gemüse: Erdöl. Was vor
       > Millionen Jahren unter enormem Druck und mithilfe von Bakterien entstand,
       > ist heute überall.
       
 (IMG) Bild: Strohhalme, auch aus Öl.
       
       Erdöl landet nicht nur im Ofen und im Auto, sondern auch im CD-Regal, in
       unseren Klamotten und sogar im Kühlschrank. Und das geht so: Erdöl ist
       eigentlich ein Sammelsurium aus vielen unterschiedlichen Bestandteilen.
       Mindestens fünfhundert verschiedene Verbindungen, hauptsächlich aus
       Kohlenstoff und Wasserstoff, sind darin enthalten. In Rohform können wir
       das Öl für gar nichts gebrauchen.
       
       Um die Stoffe alle auseinanderzupflücken, verwenden die Menschen in der
       Raffinerie der Erdölfirma einen Trick: Alle Verbindungen im Rohöl kochen
       nämlich bei unterschiedlichen Temperaturen. So kann man in einem hohen Turm
       die Einzelbausteine aus dem erhitzten Öl der Reihe nach abfangen: Benzin
       und Diesel für die Autos, Heizöl, Petroleum für die Lampen und Kerosin, den
       Flugzeugsprit. Fraktionierte Destillation nennt sich dieses Verfahren.
       
       Dabei wird noch ein besonderer Stoff abgetrennt: Naphtha, das Leichtbenzin.
       "Naphtha ist der Grundstoff für fast alle chemischen Produkte", sagt
       Manfred Ritz vom Verband der Chemischen Industrie, VCI. Ritz beschäftigt
       sich nahezu täglich mit dem Rohstoff, denn 90 Prozent von allem, was in
       Deutschland in Firmen chemisch hergestellt wird, hat Erdöl zur Grundlage.
       Jede Firma will es haben: zum Erhitzen, Pressen, Zerstückeln und
       Wiederzusammensetzen, um es mit Wasser zu bedampfen oder zu Ringen zu
       formen. Erst so kommen all die Bausteine heraus, die sich später in unseren
       Wohnungen wiederfinden.
       
       Zum Beispiel in der Plastikflasche im Kühlschrank. Sie ist aus
       Polyethylenterephthalat (PET) geblasen, einem der robustesten aller
       Kunststoffe. Erdölanteil: annähernd 100 Prozent. Die CDs im Regal sind aus
       Polycarbonat. Erdölanteil: mindestens 80 Prozent.
       
       Und sogar in den Klamotten finden sich Ölbausteine: Auf dem Etikett eines H
       & M-Pullovers steht 80 Prozent Baumwolle, 18 Prozent Polyamid, 2 Prozent
       Elastan. In der Baumwolle ist zunächst einmal kein Öl enthalten, die beiden
       anderen Stoffe sind jedoch Kunstfasern, die auch aus Ölbestandteilen
       gemacht sind. Erdölanteil des Pullovers: immer noch 20 Prozent.
       
       Schließlich sogar die Aspirin-Tablette. Deren Wirkstoff ist die
       Acetylsalicylsäure, und selbst darin ist ein aus Öl gewonnener Baustein
       enthalten, das Benzol. Erdölanteil pro Aspirin-Tablette: 35 Prozent. Ganz
       exakt kann man den Ölanteil in all diesen Dingen nicht berechnen: Hunderte
       von chemischen Reaktionen mit Hilfsstoffen und Zusätzen ergeben schließlich
       eine Aspirin-Tablette.
       
       Und damit immer noch nicht genug: Shampoo, Waschmittel, Seife, Haarspray,
       Zahnbürste, Autositz, PVC-Fußboden, Eimer, Folien, Matratzen, Kreditkarte,
       Computergehäuse, Display, Farben, Tüten, Fensterrahmen, Vaseline - die
       Liste ist endlos. Es ist wahr: Wir sind umgeben von Öl.
       
       Doch selbst das scheinbar harmlose Gemüse käme ohne Erdöl nicht in unseren
       Kühlschrank. Vor allem wenn der Spargel im Februar aus Mexiko kommt und die
       Bohnen im Dezember aus Asien. Denn für den Transport von eingeflogenem
       Gemüse wird durchschnittlich 48-mal mehr Erdöl verbraucht als bei Gemüse
       aus der Region. So stecken in einem Kilogramm Gemüse oder Obst aus Übersee
       indirekt 4 bis 5 Liter Erdöl.
       
       Aber nicht nur das Einfliegen außerhalb der Saison schlägt auf die
       Erdölbilanz von Obst und Gemüse: In fast allen Produktions- und
       Ernteschritten spielt Öl eine Rolle. Bauern pflügen Felder mit Traktoren,
       die Diesel verbrauchen, sie ernten das Obst mithilfe von Maschinen,
       beheizen die Treibhäuser. Mit einem Kilogramm Gemüse aus dem Treibhaus
       kaufen wir zwischen 0,5 und 1 Liter Erdöl mit, bei Freilandprodukten aus
       der Region immerhin bereits 0,1 bis 0,3 Liter.
       
       Was also vor Millionen Jahren unter enormem Druck und mithilfe von
       Bakterien entstand, ist heute aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.
       Unser Luxus ist abhängig von Öl. Und deshalb wollen wir mehr und mehr
       davon: die Ölförderanlagen der Welt laufen auf Hochtouren, wir suchen Erdöl
       an immer abgelegeneren Orten: im Eis, in der Wüste oder tief unter der
       Meeresoberfläche. Täglich werden weltweit mehr als 10 Millionen Tonnen
       Erdöl aus dem Boden geholt.
       
       Doch irgendwann ist die Ressource erschöpft: Erdöl wird bald knapp. Wenn es
       so weit ist, werden auch die CD und das Aspirin zum Luxusgut. Für Autos und
       Heizungen gibt es schon Alternativen, für Plastik nicht: Materialien aus
       nachwachsenden Rohstoffen sind nicht so robust, sie zersetzen sich früher
       oder später.
       
       Kaum ein Rohstoff also hat unser Leben so geprägt. Ohne Öl gäbe es keine
       Computer, schon gar keine Laptops. All die neuen Techniken -
       Computergehäuse, LCD-Bildschirme und mobile Spielkonsolen - basieren
       letztlich auf Bausteinen aus Rohöl. Öl wärmt uns, kleidet uns, bewegt uns
       von einem Ort zum anderen - Öl bestimmt unser Leben. Ob wir wollen oder
       nicht, wir sind abhängig davon.
       
       9 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maria Rossbauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ökologie
       
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