# taz.de -- Genmanipuliertes Saatgut: Strafanzeige nach Genmaisskandal
       
       > Justiz soll Verantwortliche bestrafen, fordern kritische Bauern. Auch
       > Brandenburg will nun die illegalen genmanipulierten Pflanzen unterpflügen
       > lassen.
       
 (IMG) Bild: Niedersachsen hielt sich die Option offen, den Genmai weiter wachsen zu lassen.
       
       BERLIN taz | Der Skandal um illegales Gentechnik-Saatgut hat ein
       juristisches Nachspiel. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
       (AbL) hat am Freitag bei der Staatsanwaltschaft Stade Strafanzeige gegen
       unbekannt erstattet, wie ihr Rechtsanwalt Jens Beismann sagte. Sie richtet
       sich dagegen, dass in diesem Frühjahr in sechs Bundesländern Saatgut
       ausgesät wurde, das mit verbotenem gentechnisch verändertem Mais
       verunreinigt war. Das Gentechnik-Gesetz sieht bis zu drei Jahre Gefängnis
       oder Geldstrafe für denjenigen vor, der nicht zugelassene Genpflanzen
       freisetzt.
       
       Die Niederlassung des US-Saatgutherstellers Pioneer Hi-Bred in Buxtehude
       hatte laut Behörden verunreinigten Mais für rund 2.000 Hektar geliefert.
       Damit dürfte der Fall der bisher größte Gensaatgut-Skandal in Deutschland
       sein. "Die Bauern wussten davon nichts. Deshalb sind sie raus", sagte
       Jurist Beismann. Allerdings müsse die Staatsanwaltschaft überprüfen, ob
       Saatgutfirmen oder Behörden Fehler gemacht hätten.
       
       Tatsächlich wirft die Umweltschutzorganisation Greenpeace dem
       Agrarministerium in Niedersachsen vor, zu spät reagiert zu haben.
       Ministerin Astrid Grotelüschen (CDU) entschuldigte die Verzögerungen unter
       anderem damit, dass Mitarbeiter verreist oder erkrankt gewesen seien. "Das
       ist doch Schwachsinn", antwortete Greenpeace-Agrarexperte Martin
       Hofstetter. "Dann hätten sie andere Länder um Amtshilfe bitten können,
       schließlich stand die Aussaat kurz bevor."
       
       Die AbL sieht deshalb hinter dem Verhalten der Behörden nicht nur
       Schlamperei, sondern auch Politik. "Die Landesregierung in Niedersachsen
       fährt seit Jahren einen Schmusekurs gegenüber der Gentechnikindustrie",
       kritisierte Bundesgeschäftsführer Georg Janßen. Der Skandal sei Teil einer
       Strategie: "Bauern und Verbraucher sollen sich an Verunreinigungen
       gewöhnen, und dann sagen die Konzerne in wenigen Jahren, dass nun schon in
       vielen Regionen gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen und eine Trennung
       leider nicht möglich ist."
       
       Unterdessen hat auch Brandenburg entschieden, dass die Bauern die
       verunreinigte Saat vernichten müssen. "Wir haben Umbruch angeordnet", sagte
       Peter Rudolph, Gentechnik-Experte im Umweltministerium. Dann könnten die
       Bauern Schadenersatz vom Hersteller fordern. Ähnliche Maßnahmen hatten
       Baden-Württemberg, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern angekündigt.
       Rheinland-Pfalz dagegen erklärte am Freitag der Nachrichtenagentur dpa
       zufolge nur, Ziel sei, die Pflanzen unterzupflügen. Niedersachsen hielt
       sich ausdrücklich die Option offen, den Mais wachsen zu lassen und in
       Biogasanlagen zu vergären. Das werde je nach Einzelfall entschieden, sagte
       eine Sprecherin des Umweltministeriums. Sie wollte sogar nicht die
       Möglichkeit ausschließen, die Pflanzen bis zur Blüte stehen zu lassen. Dann
       könnten Pollen benachbarte Felder kontaminieren.
       
       12 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gentechnisch verunreinigtes Saatgut: Die Nullprozentgrenze
       
       Nach EU-Recht sind gentechnische Verunreinigungen bei Saatgut nicht
       erlaubt. Doch Gentech-Firmen verstoßen immer wieder gegen das EU-Gesetz.
       Sie wollen es am liebsten ändern.
       
 (DIR) Saatgut-Skandal: Illegaler Gentech-Mais
       
       Trotz Anbauverbot wächst auf 3.000 Hektar in sieben Bundesländern
       genmanipulierter Mais. Die Kontrollbehörden reagierten zu spät. Absicht,
       Unfähigkeit oder Schlamperei?
       
 (DIR) Terminverschleppung: Und leise wächst der Gen-Mais
       
       Weil zwei niedersächsische Ministerien geschlampt haben, ist auf deutschen
       Feldern gentechnisch veränderter Mais ausgesät worden. Greenpeace vermutet
       hinter den Verzögerungen Kalkül.