# taz.de -- Kolumne Älter werden: Ein Opfer von Beat und Bund
       
       > Wir haben Dieter Z. nicht mitgenommen in die neue Zeit der Revolte links.
       > Dort spielte unsere Musik zwar weiter eine wichtige Rolle, aber mit ihr
       > wurden jetzt auch politische Botschaften transportiert
       
       Liebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus links.
       Vielleicht waren Sie in ihrer Jugendzeit ja auch einmal mit einem Menschen
       befreundet, der dann unter tragischen Umständen ums Leben kam, weil er zur
       falschen Zeit am falschen Ort war. Mit einem wie Dieter Z. etwa, dem
       Gründer des First Beatclub (1965) in Westdeutschland, dessen Clubzentrale
       im südhessischen R. ein winziges, mit Beatgruppenbildern aus Bravo und
       Musikparade tapeziertes Dachgeschosszimmer direkt über der Wohnung der
       Großeltern des damals 17 Jahre alten Lehrlings (Einzelhandelskaufmann) war.
       
       Zwischen die Schallplatten, die sich dort türmten, passte gerade noch ein
       Tisch mit einer Reiseschreibmaschine darauf (für die Korrespondenz mit den
       rund 200 Mitgliedern) und ein altes Sofa. Es gab schließlich nichts an
       Beatmusik, was Dieter Z. nicht gehabt hätte: Von A wie Animals bis Z wie
       Zoot Money. Auch aus England direkt importierte Scheiben etwa der
       Elternschocker Phantom Brothers. Oder der nicht minder hübschen Pretty
       Things. Wir Beatkids jedenfalls waren hin und weg: Shakin` all over
       (Lords). Und das jedes Wochenende.
       
       Wir, das waren Prinz Eisenherz und seine Knappen - so jedenfalls nannte uns
       der unsere langen Harre hassende Französischlehrer Erich L. mit der
       hässlichen Warze am rechten Ohr. Später dann (1967/68), als wir nun 15, 16
       und 17 Jahre alten Schüler und Lehrlinge begannen, etwa im neuen Club
       Voltaire auch Degenhard, Dylan und die Doors zu hören, viel zu lesen und
       uns für schöne Mädchen und hässliche Politik (Notstandsgesetze etc.) zu
       interessieren, kam uns der gut vier Jahre ältere Beatfreak Dieter Z. ganz
       allmählich abhanden.
       
       Der Beatclub war längst abgewickelt. Doch der dürre lange Kerl mit den
       blonden Schnittlauchlocken lebte weiter ausschließlich in seiner Rock n
       Roll Fantasy far from Reality (Kinks). Wir verließen ihn deshalb - peu a
       peu - fast beiläufig. Und er uns dann endgültig.
       
       Denn während wir schon früh beim THW Ersatzdienst schoben oder - später -
       den Kriegsdienst verweigerten, ging Dieter Z. zum Bund. Noch während der
       Grundausbildung verunfallte er schwer: Doppelter Schädelbasisbruch. Eine
       Silberplatte wurde in seinen Kopf hinein operiert. Jahre später starb er an
       den Spätfolgen der Verletzung.
       
       Denke ich an Dieter Z. - was manchmal einfach so passiert -, fühle ich mich
       irgendwie schuldig. Sicher: Wir waren jung und ungeduldig. Und er kam nicht
       mehr mit (uns). Aber wir haben ihn auch nicht mitgenommen in die neue Zeit
       der Revolte links, in der unsere Musik zwar weiter eine wichtige Rolle
       spielte, mit der jetzt auch politische Botschaften transportiert wurden,
       aber längst nicht (mehr) alles war. Wir haben ihn einfach rechts im
       Unpolitischen liegen lassen; einsam.
       
       Und Sie, liebe Leserinnen und Leser dieser kleinen aber feinen
       Fachzeitschrift für die Punkszene in Kamtschatka und im Kosovo, fragen sich
       sicher besorgt, ob Ihr bislang doch immer so cooler, mutmaßlich zur Attacke
       allzeit bereiter Lieblingsautor beim Älterwerden jetzt vielleicht doch zu
       einem Sentimental` Hund (Degenhardt) mutiert ist? Mitnichten. Aber sich ab
       und zu ein bisschen sentimental (und selbstmitleidig) zu gerieren, ist
       schließlich besser, als gleich senil zu werden. Du lass` Dich nicht
       verhärten, in dieser harten Zeit. Die allzu hart sind stechen, und brechen
       ab zugleich... (Biermann).
       
       Raus: Nix. Rein: CD Get the Picture (Pretty Things)
       
       14 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Peter Klingelschmitt
       
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