# taz.de -- Kommentar NRW-Minderheitsregierung: Gute Idee, schlechter Stil
> Rot-Grün plant in NRW eine Minderheitsregierung. Sie sollte versuchen,
> die parteipolitischen Schützengräben zu verlassen und kreativ zu sein.
Hannelore Kraft wollte in NRW aus der Opposition regieren. Jürgen Rüttgers
sollte erst mal weiter amtieren, bis das Publikum einsehen würde, dass
etwas geschehen muss. Damit hat sich die SPD in Düsseldorf viel Kritik
eingehandelt. Man hat sie als verzagt gescholten. Aber das war eben Krafts
Linie. Bloß nichts überstürzen, bloß niemand in Partei oder Fraktion
überfordern. Wenn Andrea Ypsilanti in Hessen so viel Geduld gehabt hätte,
wäre sie heute vielleicht Ministerpräsidentin.
Nun hat die SPD in Düsseldorf in Windeseile das Ruder herumgelegt. So
schnell wie möglich soll eine rot-grüne Minderheitsregierung gebildet
werden. Was ist passiert? Warum ist jetzt richtig, was vor zwei Tagen noch
falsch war? Waren es Ermahnungen aus der Berliner SPD, die die
Bundesratsmehrheit von Schwarz-Gelb auf jeden Fall gekippt sehen wollte?
War es Druck der Grünen in NRW, die entnervt auf ihren Attentismus reagiert
hatten? Oder beides?
Wir wissen es nicht. Offziell heißt es, dass die FDP die Koalition mit der
CDU aufgekündigt habe und Rüttgers daher ein Regierungschef auf Abruf sei.
Das ist mehr als fadenscheinig. Ministerpräsident auf Abruf ist Rüttgers
schon seit Wochen. Politik braucht, gerade bei solchen Reißschwenks,
plausible Begründungen. Kraft hat nur eine Ausrede.
Dieser abrupte Wechsel hat etwas von einer Panikattacke. Er hat alle
verdutzt, auch die Grünen in NRW. Kraft wirkt wie eine Getriebene, nicht
wie jemand, der seine Gegner vor sich her treibt.
Das ist schade, denn das Experiment, dass nun in Düsseldorf beginnen
könnte, hat etwas Faszinierendes. Rot-Grün muss mal mit der FDP, mal mit
der Linkspartei kooperieren. Da ist es ratsam, wenn die SPD schleunigst
ihre herablassende Haltung in Richtung Linkspartei revidiert. Wenn diese
rot-grüne Minderheitsregierung es also ernst meint und nicht bloß ein Trick
ist, um schnell Neuwahlen zu inszenieren, könnte etwas Neues entstehen: der
Versuch, die parteipolitischen Schützengräben zu verlassen und kreativ zu
werden. Das wäre im deutschen Politikbetrieb eine wirkliche Innovation.
Allerdings ist schwer vorstellbar, dass eine Regierung, die schon ihren
Start so in den Sand setzt, klug genug ist, um mit Linkspartei oder FDP
Mehrheiten für eine Haushalt zu organisieren. Gerade Politik ohne Geländer
braucht einleuchtende Gründe und guten Stil. Der SPD in NRW scheint beides
zu fehlen.
17 Jun 2010
## AUTOREN
(DIR) Stefan Reinecke
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