# taz.de -- Immobilienkauf bei Stade: Furcht vor neuem Neonazi-Zentrum
       
       > Die rechtsradikale Szene ist in der Region Stade besonders ausgeprägt und
       > gewalttätig. Nun hat ein bekannter Neonazi dort auch noch ein Gasthaus
       > erworben, das zum Treffpunkt werden soll.
       
 (IMG) Bild: Ein Rechtsradikaler.
       
       Am Sonntag konnten aus dem Haus Wöhrden 74 früher frische Brötchen geholt
       werden. Aus dem nahen Stade kamen die Käufer zu dem Bäcker in
       Hollern-Twielenfleth gerne. In Zukunft werden Neonazis zu dem ehemaligen
       Gasthaus "Zur Symphonie" fahren, wohl Partys feiern, Konzerte besuchen. Der
       Rechtsradikale Sebastian Stöber erwarb das historische Gebäude.
       
       Um kurz vor halb zehn war der Kauf am Donnerstag perfekt. Im Saal 10 des
       Stader Amtsgerichts ersteigerte Stöber, der aus der Tostedter Neonaziszene
       kommt, das Gasthaus für 115.000 Euro. Ein Kaufmann, ein Bauunternehmer, ein
       Gastronom und Privatleute hatten für die Immobilie mit einem 8.000
       Quadratmeter großen Grundstück erfolglos mitgeboten. Die Versteigerung
       hatte die Sparkasse Stade-Altes-Land angestrebt. Ganz seriös war Stöber mit
       einer Begleitung erschienen. Diese benannte die Pläne nach dem Zuschlag
       knapp mit zwei Worten: "gastronomische Nutzung".
       
       "Dieser Kauf wird die schon sehr starke Szene in der Region erneut
       stärken", sagt Michael Quelle von der Stader "Vereinigung der Verfolgten
       des Naziregimes". Er hebt hervor, dass in den vergangenen Monaten Anhänger
       aus den Kameradschaften "Nationaler Widerstand Tostedt" und "Gladiator
       Germania" immer wieder nichtrechte Jugendliche angegriffen haben. Die
       Rechten drangen in die Häuser und Wohnungen Jugendlicher ein, die sich
       gegen Rechts engagieren, und schlugen brutal zu.
       
       Im Landtag plant der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg nachzufassen, weil
       die Polizei vor kurzem gegenüber der taz einräumte, entschieden zu haben,
       einen rechtsextremen Überfall mit verletzen Jugendlichen nicht öffentlich
       werden zu lassen. Hinter vorgehaltener Hand sagen hochrangige Polizeibeamte
       aber auch selbst: In Tostedt und Umgebung ist es wegen der Angriffe der
       Neonazis nicht erst kurz vor, sondern schon weit nach Zwölf.
       
       Wegen schwersten Verbrechen wird mittlerweile ermittelt. Gerüchte, dass
       Stöber, Jahrgang 1977, das neue Gelände mit der Rockergruppe Gremium MC
       nutzen will, kamen zudem auf.
       
       Von Tostedt, wo ein enger Bekannter von Stöber, Stefan Silar, den
       Szeneladen "Streetwear Tostedt" betreibt, sind es nach Hollern-Twielenfleth
       knapp 50 Kilometer. Im ländlichen Raum keine Entfernung.
       
       Das dürfte sich auch Stöber denken, der gerne Kleidung trägt auf denen das
       Logo von "Gladiator" prangt: Der Name und eine Streitaxt. Zu dem Chic
       bietet die Gruppe auch eine eigene Philosophie an: "Gladiatoren sind nie in
       der Lage gewesen, den Kampf zu verweigern." Vermummt und aggressiv
       präsentieren sie sich so auch auf einer Homepage, zugelassen auf Stöber.
       Der selbst ernannte Gladiator richtete schon 2001 ein Rechtsrockkonzert in
       der Region mit über 500 Kameraden aus. Beim Ordnungsamt hatte er das
       Konzert als "Disco" angemeldet. Mit dem Kauf des Gasthauses sind solche
       Tricks nicht mehr nötig.
       
       In verschieden Bundesländern haben Neonazis gezielt Großimmobilien
       erworben, um ungestört von Behörden und Antifa-Initiativen Veranstaltungen
       ausrichten zu können – Sonnenwendefeiern, Tagungen und Konzerte. Im
       thüringischen Pößneck hat sich das "Schützenhaus" als Szenetreff etabliert.
       
       Nach dem Tod von Jürgen Rieger 2010, der als Bevollmächtigter der "Wilhelm
       Tietjen Stiftung für Fertilisation Limited" die Immobilie verwaltete, haben
       sich die Zuständigkeiten unlängst geklärt. Der norddeutsche Neonaziaktivist
       und NPD-Bundesvorstandsmitglied Thomas Wulff ist als Direktor der Firma mit
       Sitz in London eingetragen. Im mecklenburg-vorpommerschen Grevesmühlen
       eröffnete vor kurzem das NPD-Ratsmitglied Sven Krüger eine "nationale
       Begegnungsstätte". Schulungen fanden schon statt. Im sächsischen Quitzdorf
       am See bei Görlitz plant die NPD nach Informationen des Verfassungsschutzes
       ihr "Pressefest". Am 7. August werden in dem privaten Feriendorf, das einem
       Zollinspektor gehört, über 3.000 Besucher erwartet.
       
       Für die Linke im niedersächsischen Landtag ist unverständlich, dass die
       niedersächsischen Sicherheitsbehörden geschlafen haben, obwohl die Region
       eine bekannte Hochburg der Neonazis ist. Die innenpolitische Sprecherin der
       Fraktion, Pia Zimmermann, betont: "Einmal mehr zeigt sich, dass der so
       genannte Beauftragte für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem
       Hintergrund im Innenministerium ein zahnloser bürokratischer Tiger ist".
       Der grüne Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler betont: "Erste
       Gespräche laufen, um ein breites Bündnis zu bilden, damit hier nicht ein
       Neonazizentrum entsteht".
       
       18 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) A. Röpke
 (DIR) A. Speit
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Niedersachsen
       
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