# taz.de -- Kolumne Politik von unten: Teil einer Anti-Zensus-Bewegung sein
       
       > Ab 2011 geht es wieder los mit dem digitalen Nackigmachen: Es wird wieder
       > volksgezählt. Protest dagegen regt sich bislang kaum – dabei wäre er
       > angebracht.
       
 (IMG) Bild: Aus der Masse heraus: Die Daten der Einzelnen.
       
       Von 2011 bis 2013 wird wieder volksgezählt in Deutschland und Europa. Dabei
       wird nicht nur die bloße Bevölkerungszahl erfasst, sondern mit einem langen
       Kriterienkatalog erkundet, wie und mit wem die Europäer leben, arbeiten und
       wohnen, wie gebildet sie sind und was sie in welchen Berufen verdienen. Das
       kostet den hiesigen Steuerzahler einen dreistelligen Millionenbetrag, fällt
       also in der nach oben offenen Hilmar-Kopper-Skala noch fast unter
       "Peanuts".
       
       Allerdings hat der Begriff Volkszählung hierzulande eine negative
       Konnotation, Zensus klingt da viel freundlicher. Jahrelang hat kein
       widerspenstiger Hahn danach gekräht. Nach breiten gesellschaftlichen
       Protesten in den achtziger Jahren erklangen diesmal zunächst keine Rufe wie
       "Meine Daten müsst ihr raten", wenn nun wieder Fragen nach
       Migrationshintergrund und nichtehelichen Lebensgemeinschaften gestellt
       werden.
       
       Statt wie früher jeden Bürger mit langen Papierformularen an der Haustür zu
       belästigen, werden die wohlverdateten Schäfchen per unauffällige
       Registerzählung erfasst. All das, was der Staat ohnehin über uns weiß, was
       aber aus guten Gründen verteilt in vielen verschiedenen Computern und
       Datenbanken diverser Behörden liegt, wird zusammengeführt. Ganz am Schluss
       soll dann auch der Name vom aggregierten Datensatz entfernt werden, damit
       die langsam aufwachenden nervigen Datenschützer nicht wieder so laut
       meckern.
       
       Weil das so entstehende Abbild der Menschen fehleranfällig ist, werden in
       einem zweiten Schritt dann doch wieder einige Millionen Bundesbürger
       ausführlich befragt. Ob es wie bei vorherigen Zählmaßnahmen zu auffälligen
       Häufungen bei den "zufällig Ausgewählten" kommt, kann noch niemand absehen.
       Es scheint jedoch, als könnten die Kriterien, nach denen die
       Tiefenzuerfassenden dann erwählt werden, eher auf Menschen mit
       nichtstandardisierten Lebensentwürfen, Partnerschafts- und Wohnsituationen,
       zutreffen. Bei ihnen ist am ehesten eine algorithmisch zu ermittelnde
       Inkonsistenz zwischen dem, was die Behörden wissen, und der Realität zu
       erwarten. Und wenn sie sich nicht digital nackig machen wollen, gibt es
       auch diesmal ein saftiges Bußgeld: bis zu fünftausend Euro.
       
       Wie die Ausforschung praktisch aussieht und wie Bewohner ökonomisch
       arrivierter, aber eher unkonventionellen Wertvorstellungen zuneigender
       Wohngemeinschaften reagieren, wenn plötzlich das Tiefenbefragungsformular
       ins Haus flattert, wird sicher interessant zu beobachten. Bisher scheint
       den wenigsten klarzusein, was da 2011 auf sie zukommt, obgleich das Gesetz
       bereits 2009 in Kraft trat.
       
       In der besten Tradition staatlicher Datengroßprojekte wird bei der
       Volkszählung 2.0 beteuert, alles sei absolut sicher, es bestünde keinerlei
       Risiko des Missbrauchs. Die bisherige Geschichte derartiger Unterfangen ist
       jedoch kontrovers und weckt kaum Vertrauen, dass dem auch so sein wird. Wer
       wie ich die legendäre Bewegung gegen die staatliche Totalerhebung 1984 aus
       demografischen oder geschichtsgeografischen Gründen verpasst haben sollte,
       hat jetzt die einmalige Chance. Ich will auch mal Teil einer
       Anti-Volkszählungs-Bewegung sein!
       
       2 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Constanze Kurz
       
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