# taz.de -- Stichwahl in Polen: Chance auf Neubeginn
       
       > Die Stichwahl ums Amt des Staatschefs steht ganz im Zeichen des Absturzes
       > der Präsidentenmaschine. Medien verbreiten erneut absurde
       > Verschwörungstheorien
       
 (IMG) Bild: Wem sie wohl ihre Stimme gibt? Bei der Präsidentschaftswahl in Polen liefern sich der liberalkonservative Bronislaw Komorowski und der nationalkonservative Jaroslaw Kaczynski ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
       
       WARSCHAU taz | Eintracht oder Zwietracht zwischen Russland und Europa - das
       hängt in entscheidendem Maße vom künftigen Staatspräsidenten Polens ab. Die
       historischen Belastungen wiegen schwer. Der Flugzeugabsturz am 10. April
       der polnischen Präsidentenmaschine im westrussischen Smolensk macht es
       nicht leichter. Zwar rührten die russischen Gesten der Anteilteilnahme
       viele Polen, doch als bekannt wurde, dass einige russische
       Sicherheitsbeamte die Toten geplündert hatten, kehrten die alten Zweifel
       zurück: Lügt Russland im Fall von Smolensk so wie im Fall des Massakers von
       Katyn 1940?
       
       Die Katastrophe von Smolensk, bei der Polens amtierender Präsident Lech
       Kaczynski, seine Frau Maria und weitere 94 Menschen ums Leben kamen,
       bestimmte die gesamte Kampagne vor der Stichwahl zwischen Bronislaw
       Komorowski (58) von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) und
       Jaroslaw Kaczynski (61) von der nationalkonservativen Partei "Recht und
       Gerechtigkeit" (PiS). Viele Wähler hatten am Sonntag das Gefühl, mit ihrer
       Stimme für Kaczynski eine Art Schuld abzubezahlen.
       
       Die Komorowski-Wähler hingegen erinnerten sich noch gut an die
       Präsidentschaft Lech Kaczynskis und wollten eine Wiederholung vermeiden. So
       lag die Wahlbeteiligung bereits um 13 Uhr mit 26,63 Prozent höher als beim
       ersten Wahlgang.
       
       Derweil verbreiteten in der vergangenen Woche immer mehr Medien, dass es
       sich bei dem Unfall um einen von langer Hand vorbereiteten "Anschlag auf
       den polnischen Präsidenten gehandelt habe. Vorreiter war das von der PiS
       und den Linken kontrollierte Staatsfernsehen. Polens Premier Donald Tusk
       habe "polnisches Blut an den Händen", wurde da behauptet. Er habe sich am
       Unfallort von einem russischen Politiker umarmen lassen, der ebenfalls Blut
       an den Händen habe. Dass die Maschine mit so vielen antirussisch
       eingestellten Politikern abstürzt sei, könne kein Zufall sein. Davon geht
       auch die Gazeta Polska aus, die als inoffizielles Parteiblatt der PiS gilt.
       Kurz vor der Stichwahl veröffentlichte sie eine Smolensk-Sondernummer. Auf
       der Titelseite sind ein Leichenfeld zu sehen, der Sowjet-Diktator Josef
       Stalin, zudem Tusk und Putin. Das Blatt nennt auch Namen polnischer
       Minister und Staatssekretäre, die angeblich Kaczynski zum Flug gezwungen
       hätten - auf Wunsch Moskaus.
       
       Einzig Polens linksliberale Medien, wie die Tageszeitung Gazeta Wyborcza,
       plädieren dafür, die freundlichen Gesten Russlands nach dem Unfall als
       Chance für einen Neubeginn der bilateralen Beziehungen zu begreifen. Das
       ist auch die Position von Bronislaw Komorowski. Die Diskussion wird auch
       nach den Wahlen weitergehen.
       
       4 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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