# taz.de -- Wahlergebnis in Polen: Mann des Ausgleichs
       
       > Polen hat in nach einer Stichwahl einen neuen Präsidenten. Bronislaw
       > Komorowski war der Kandidat von Ministerpräsident Donald Tusk, mit ihm
       > wird er nun seine pro-europäische Politik fortsetzen können.
       
 (IMG) Bild: Politisch eher blass: Polens neuer Präsident Bronislaw Komorowski.
       
       WARSCHAU dpa/ afp | Nach einer dramatischen Wahlnacht steht der neue
       Präsident Polens fest. Der liberal-konservative Parlamentschef Bronislaw
       Komorowski kam nach Auszählung praktisch aller Stimmen auf 52,6 Prozent.
       Sein national-konservativer Herausforderer Jaroslaw Kaczynski,
       Zwillingsbruder des abgestürzten Präsidenten Lech Kaczynski, erreichte nur
       47,4 Prozent. In der Nacht auf Montag hatte er gegen Mitternacht immerhin
       einmal kurz vorn gelegen. Außenminister Guido Westerwelle begrüßte den Sieg
       Komorowskis als "starkes pro-europäisches Signal".
       
       Komorowski war von der liberal-konservativen Regierungspartei
       Bürgerplattform (PO) des Ministerpräsidenten Donald Tusk aufgestellt
       worden. Mit Kaczynski als Präsidenten hätte Tusk Schwierigkeiten gehabt,
       seinen pro-europäischen Reformkurs durchzusetzen. Nun kündigte der Chef der
       PO-Parlamentsfraktion Grzegorz Schetyna schon am Montag an, die Regierung
       werde bald einen Plan für die kommenden eineinhalb Jahre vorlegen. Er
       nannte Reformen des Gesundheitswesens und des Rentensystems sowie die
       Konsolidierung der Finanzen als Hauptziele.
       
       Westerwelle kündigte in einer ersten Reaktion eine noch engere
       Zusammenarbeit im Rahmen des sogenannten Weimarer Dreiecks an, das
       Deutschland und Polen mit Frankreich verbindet. "Mit Präsident Komorowski
       werden wir genauso wie mit Premierminister Donald Tusk und Außenminister
       Radoslaw Sikorski einen starken Partner für diesen Kurs des Vertrauens und
       der Zusammenarbeit haben", erklärte Westerwelle.
       
       Die dramatischen Entwicklungen in der Nacht, wo Kaczynski nach dem frühen
       Eingeständnis seiner Niederlage plötzlich wieder vorn lag, erklärte ein
       Sprecher der Wahlkommission mit Zahlen aus kleineren ländlichen
       Wahlkreisen. Dort sei die Zustimmung für Kaczynski am stärksten.
       
       Im Wahlkampf hatte Komorowski vor allem auf die Wirtschaftserfolge der
       Regierung gesetzt. Polen war 2009 das einzige EU-Land mit
       Wirtschaftswachstum. Komorowski präsentierte sich zudem als Mann des
       Ausgleichs, der gute Zusammenarbeit von Präsidentenamt und Regierung
       gewährleisten könne.
       
       Der frühere Präsident Lech Kaczynski war am 10. April zusammen mit seiner
       Frau Maria und 94 hochrangigen Politikern, Militärs und Geistlichen bei
       einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben gekommen. Der kurze Wahlkampf
       stand ganz im Zeichen der Trauer um die Toten der Absturzkatastrophe.
       
       Jaroslaw Kaczynski trat für seinen toten Zwillingsbruder als Kandidat an,
       um "dessen Mission zu vollenden". Zunächst ein Außenseiter, holte er,
       getragen von der starken Sympathiewelle für seinen Bruder, immer mehr auf.
       Als Präsidentenbewerber zeigte sich Kaczynski wie verwandelt: Der als
       Scharfmacher bekannte Ex- Ministerpräsident sprach vom Dialog und
       Kompromiss statt von Konfrontation.
       
       Das polnische Staatsoberhaupt hat mehr Kompetenzen als der deutsche
       Bundespräsident, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. In der
       Amtszeit von Lech Kaczynski war es immer wieder zu
       Kompetenzenstreitigkeiten mit der Regierung gekommen, worunter vor allem
       die Reformvorhaben litten. Die Regierung erhofft sich nun mehr Spielraum
       bei der Modernisierung des Landes.
       
       Auf der politischen Bühne wirkt Bronislaw Komorowski eher blass. Doch das
       Votum der Polen fiel dennoch deutlich aus: mit gut fünf Prozentpunkten
       Vorsprung gewann der 58-Jährige aus dem liberalen Regierungslager die
       Präsidentenwahl am Sonntag. Sein Rivale Jaroslaw Kaczynski, der
       Zwillingsbruder des bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen
       Staatschefs Lech Kaczynski, gestand bereits seine Niederlage bei der
       Stichwahl ein.
       
       Während Kaczynski der Kandidat der konservativen, erzkatholischen und
       nationalistischen Klientel war, steht der neue Präsident für das liberale,
       pro-europäische Polen. Komorowski stammt aus einer Adelsfamilie. Der
       studierte Historiker ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Während
       der kommunistischen Herrschaft in Polen unterstützte er die Opposition, was
       ihm nach Verhängung des Kriegsrechts im Dezember 1981 eine Gefängnisstrafe
       einbrachte. Schon in seinen Jugendtagen hatte er gegen die Staatsführung
       gekämpft. "Ich war ein Radikaler", sagte der Liberale erst kürzlich über
       seine Zeit als Anti-Kommunist. "Ich habe alles gelernt über die
       Gummiknüppel der Polizei und deren Einsatz."
       
       Mit der Auflösung des Ostblocks und dem Zerfall der Sowjetunion schlug
       Komorowski einen moderaten Weg ein. Nach den ersten freien Wahlen im Juni
       1989 wurde er Berater des ersten nicht-kommunistischen Ministerpräsidenten
       Tadeusz Mazowiecki. Seit 1991 ist er Abgeordneter. In den 90er Jahren war
       er in drei Regierungen Vize-Verteidigungsminister, dann rückte er an die
       Spitze des Ministeriums auf. Zum Präsidenten des polnischen Unterhauses
       wurde er 2007 gewählt, nachdem die Bürgerplattform (PO) des amtierenden
       Regierungschefs Donald Tusk bei den Parlamentswahlen über Kaczynskis Partei
       Recht und Gerechtigkeit (PiS) triumphierte. Tusk und Komorowski gelten als
       enge Verbündete.
       
       Es stand schnell fest, dass der Liberale sich um das Präsidentenamt bewirbt
       - denn er hatte Lech Kaczynski auch bei den eigentlich für den Herbst
       geplanten Wahlen für das Regierungsbündnis in Warschau herausfordern
       sollen. Nach dem Flugzeugabsturz von Smolensk fand er sich plötzlich an der
       Spitze des polnischen Staates wieder: Als Parlamentspräsident rückte er wie
       in der Verfassung vorgesehen zum Übergangspräsidenten auf. Nun ist er auch
       offiziell Nachfolger des verunglückten Präsidenten. In einer ersten
       Reaktion machte er aus seiner Freude über den Sieg kein Hehl: Seinen
       Anhängern in der Wahlkampfzentrale rief er zu, jetzt werde erst einmal eine
       "kleine Flasche Champagner" geöffnet - die große Flasche folge dann am
       Montag, wenn das amtliche Ergebnis vorliege.
       
       5 Jul 2010
       
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