# taz.de -- Erfolgreiche deutsche Mannschaft: Fit for Fun
       
       > Eine überlegene Fitness ist die Basis für den WM-Erfolg der DFB-Auswahl –
       > und die wird auch mit moderner Computertechnik gelegt. Ein
       > Werkstattbericht.
       
 (IMG) Bild: Überall auf der Welt werden sie in diesen Tagen bestaunt. Bloß: Was ist ihr Geheimnis?
       
       JOHANNESBURG/BERLIN taz | Sind wirklich auch alle da? Es ist eine der
       letzten Trainingseinheiten vor dem Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft.
       Eine Viertelstunde nur dürfen die Medienvertreter dem Training im
       Superstadium von Alteridgeville zusehen. Nun wird nachgezählt. Tim Wiese,
       Sami Khedira und Arne Friedrich fehlen. Keine Panik.
       
       Khedira und Friedrich haben tagsüber ein paar Laufeinheiten absolviert.
       Sehr gemächliche, zum Zwecke der Regeneration. Sie werden spielen können am
       Mittwochabend gegen Spanien. Vor der Partie, beim Feintraining, wird die
       Öffentlichkeit ausgeschlossen. Wie fit die Mannschaft ist und was sie tut,
       um fit zu sein, das bekommt niemand zu sehen.
       
       Die deutsche Maschine wird überall auf der Welt bestaunt in diesen Tagen.
       Die Fähigkeit, auch noch in den letzten Minuten eines Spiels überfallartige
       Angriffe anzusetzen, hat die Beobachter in Staunen versetzt. Oliver
       Schmidtlein, bis 2008 als Fitnesstrainer für die Nationalelf tätig,
       verweist darauf, dass die Deutschen in der Statistik über die meisten
       Sprints ganz oben stünden.
       
       Der Hüter des Geheimnisses 
       
       Bloß: Wie machen die das? Das weiß kein Außenstehender, und die Insider
       stehen unter Verschwiegenheitspflicht. Während sich die Gegner in der
       Schlussphase nur noch über den Platz schlurften, wirkten die Deutschen
       frisch wie beim Anpfiff. Das Geheimnis der deutschen Körpertüchtigkeit, das
       schon vor vier Jahren niemand so recht lüften konnte, es soll vor allem den
       Gegnern verborgen bleiben.
       
       Der oberste Hüter dieses Geheimnisses ist Mark Verstegen, ein
       US-Amerikaner, der in Kalifornien einen Fitnesskonzern aufgebaut hat, das
       Athlete Performance Institute. "Dir zu helfen, deine Ziele zu erreichen,
       ist unsere Leidenschaft." So wirbt das Institut für sich. Als Bundestrainer
       Jürgen Klinsmann Verstegens Team vor sechs Jahren engagierte, wurde das
       kritisch beäugt, weil einige Übungen ungewohnt aussahen. Das ganze Land
       lachte über die Bilder der im Entengang mit Deuserband über das Spielfeld
       watschelnden Edelkicker. Für die Idee dahinter, die Muskeln der
       Beinaußenseite zu stärken, um Lauf und Schussbewegungen zu optimieren,
       interessierte sich kaum einer.
       
       Differenzierte Philosophie 
       
       Wobei diese einzelne seltsam anmutende Übung medial sowieso völlig überhöht
       wurde. Verstegen hat immer das Gesamte im Blick. Seine Philosophie ist das
       differenzierte Training. Ein Abwehrspieler muss sich anders bewegen als ein
       Mittelfeldspieler oder ein Keilstürmer wie Miroslav Klose. Für jeden
       Mannschaftsteil gibt es eigene Programme. Und Verstegen geht noch viel
       weiter: Auch wenn Fußball eine Mannschaftssportart ist, soll sich jeder
       Spieler vorbereiten, als sei er ein Einzelsportler.
       
       Die Differenzierungen werden mithilfe modernster Technik bis ins Detail
       entwickelt. Der neueste Schrei: ein computergesteuertes Fitnessprogramm
       namens miCoach, das erstmals im WM-Vorbereitungslager auf Sizilien
       eingesetzt wurde. Dieses soll die Spieler wie ein Navigationssystem
       punktgenau zur Topverfassung führen.
       
       Die seit Jahren gesammelten Datenkolonnen, von den Laktat- bis zu den
       Schnellkraftwerten, die beim Hüpfen über Kraftmessplatten ermittelt werden,
       sind darin eingespeist. Auf dem Laufband erfahren die Spieler über
       Kopfhörer von einer Frauenstimme, ob sie Tempo aufnehmen oder sich zügeln
       müssen. Verstegen spricht von der Datenmatrix, die man von jedem Spieler
       habe und mit deren Hilfe er jedem ein Siegerauto bauen werde. Die perfekte
       Physis ist das Ziel.
       
       Die richtige Ernährung 
       
       Im Vorfeld der WM achtete man genau auf die unterschiedliche Belastung, der
       die Spieler zuvor ausgesetzt waren. Bei den Stammspielern vom
       Champions-League-Finalisten Bayern München wurde anfangs mehr auf
       Regeneration geachtet, die Ersatzbankprofis Klose und Gomez wurden hingegen
       getriezt. Wobei es nicht exklusiv darum geht, die Fähigkeit zur
       Höchstleistung auszubauen. "Wir haben auch versucht, den Körper zu stärken,
       um Verletzungen vorzubeugen: Hüfte, Schulter, den gesamten Torso", sagt
       Verstegen. Mit Erfolg. Bislang ist das deutsche Team in Südafrika von
       großen Verletzungen verschont geblieben.
       
       Zur optimalen physischen (und damit psychischen) Form gehört obendrein die
       richtige Ernährung. Während die Dänen 1992 trotz ihrer Vorliebe für Hot
       Dogs und Cola Europameister wurden, geht es heute bei allen WM-Teams nicht
       nur um die maßgenaue Zufuhr von Vitaminen, Kohlehydraten, Eiweißen und
       sechs Litern Flüssigkeit pro Tag. Es gibt auch mit Blick auf die Spiele
       einen genauen Zeitplan, wann der Körper was am besten aufnehmen und
       verarbeiten kann. Anderthalb Stunden vor dem Spiel etwa wird gern ein
       leichter, trockener Kuchen gereicht, wie Norbert Stein von der
       Sporthochschule Köln weiß, nach dem Abpfiff sollen die Akteure rasch
       Kohlenhydrate in Form von Pasta zu sich nehmen.
       
       Während der WM leitet Shad Forsythe mit drei weiteren Coaches die
       Fitnesseinheiten des Löw-Teams. Forsythe ist so etwas wie Verstegens
       deutscher Regionalbeauftragter. Seit sechs Jahren lebt er in DFB-Land. Er
       pflegt die Kontakte zu den Vereinen. Verstegen sagt, dass die Kommunikation
       zwischen DFB und Klubs über den Mittelsmann Forsythe inzwischen gut läuft:
       "Wir wissen jederzeit, auf welchem Stand die Spieler sind."
       
       Individuelles Training am Tag danach 
       
       Nach dem Regenerationstrainingslager auf Sizilien ging es nach Südtirol. In
       der Höhenluft der Alpen, so Verstegen, wurde brutal hart gearbeitet. Ziel
       war es, alle Spieler des Teams auf das gleiche Level zu bringen, damit
       während des Turniers alle Spieler möglichst viel gemeinsam trainieren
       können. Doch auch während der WM gibt es ein individuell aufgefächertes
       Programm. Jene, die nicht gespielt hatten, müssen am Tag nach einer Partie
       voll trainieren; die anderen, die eingewechselt wurden, dementsprechend
       weniger. Stammspieler absolvierten ein Regenerationsprogramm.
       
       Der Tag danach ist stets der, an dem den Fitnesstrainern während des
       Turniers die wichtigste Rolle zukommt, erklärt Oliver Schmidtlein. Leicht
       traben, radeln auf dem Ergometer, gymnastische Übungen, all diese
       Tätigkeiten der ersten Elf finden unter ihrer Aufsicht statt. Am nächsten
       Tag sollen alle wieder auf dem gleichen Stand sein. Das war bei vielen
       Teams des Turniers nicht immer der Fall.
       
       Etliche namhafte Spieler reisten nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte an. Das
       war bei Englands Wayne Rooney so und bei Brasiliens Kaká. Die Deutschen
       haben mit Marcell Jansen ebenfalls einen Rekonvaleszenten aufgenommen. Der
       "fleißige Schüler und harte Arbeiter" (Verstegen) hat den Anschluss ans
       Team auch deshalb geschafft, weil Shad Forsythe über Wochen den Kontakt mit
       Jansen und der medizinischen Abteilung des Hamburger SV gehalten hat. Hier
       zeigt sich, wie fruchtbar die Zusammenarbeit des DFB-Teams mit der Liga
       sein kann.
       
       "Power!" "Within!" 
       
       Grundsätzlich aber, sagt Dr. Norbert Stein, der auch für die Fitness des
       deutschen Frauennationalteams zuständig ist, gibt es international keine
       großen Unterschiede mehr. Was die Deutschen sich von den Amerikanern
       abgeschaut hätten, wäre längst auch zum Standard bei anderen Nationen
       geworden. Weshalb das Team von Jogi Löw dennoch mit seiner körperlichen
       Frische bis zum Abpfiff auffällt? "Das liegt in der Konsequenz und
       Systematik, mit der man die Arbeit schon seit Jahren betreibt", antwortet
       Stein. Schmidtlein sagt: "Wir haben einen Handlungsvorsprung."
       
       "Power", schreit Shad Forsythe, wenn die Spieler einen Kreis gebildet
       haben. "Within", brüllen die Spieler retour - ein Ritual bei dieser WM.
       Auch das gehört zum Repertoire der Fitnessschmiede Verstegens. Dieser nennt
       das die "mind sets". Die innere Einstellung und persönlichen Zielsetzungen
       müssen stimmen. Das wird ebenso trainiert wie Körperliches. Schmidtlein
       sagt: "Bei Klose und Podolski spielt der psychologische Faktor gewiss auch
       eine große Rolle." Eine gewisse Fitness müssten die beiden zum Ende der
       Bundesligasaison schon gehabt haben, aber den Kick, diese auch abzurufen,
       haben sie erst im Kreis des Nationalteams erhalten.
       
       7 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) A. Rüttenauer
 (DIR) J. Kopp
       
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