# taz.de -- Müller-Ersatz im Halbfinale: Das Kandidaten-Karussell
       
       > Bundestrainer Löw braucht gegen die Spanier einen Ersatz für Thomas
       > Müller. Aber die potenziellen Spieler Trochowski, Kroos oder Cacau sind
       > nicht besonders kopfballstark.
       
 (IMG) Bild: Robuster Spieler und damit die größte Einsatzchance: Cacau (vorne).
       
       ERASMIA taz | Kann gut sein, dass Piotr Trochowski und Toni Kroos in der
       Nacht etwas unruhiger geschlafen haben als sonst. Von ihnen wird am
       Mittwoch nämlich das Unmögliche verlangt: Sie sollen Thomas Müller im
       Halbfinale gegen Spanien ersetzen. Den Müller, 20, der das Turnier seines
       Lebens spielt und dabei so unbeschwert wirkt, als stehe er noch wie weiland
       beim TSV Pähl im Sturm. Müller hat im Viertelfinale gegen Argentinien eine
       gelbe Karte gesehen, seine zweite im Turnierverlauf. Er muss heute
       pausieren.
       
       Die Strafe ist hart, denn Müller schien den Ball nicht absichtlich mit der
       Hand zu spielen. Dennoch zückte der usbekische Unparteiische Rawschan
       Irmatow die Karte, sehr zur Verzweiflung des viermaligen WM-Torschützen
       Müller, der sofort begriff, welch ungerechtes Schicksal ihn ereilen sollte.
       
       Müller spielt in der offensiven Mittelfeld-Dreierkette auf der rechten
       Seite. Er wurde bei diesem Turnier dreimal ausgewechselt, und jedes Mal kam
       Trochowski, 26, für ihn auf den Platz. Dieses Muster spricht für den Profi
       des Hamburger SV. Für ihn spricht auch, dass Kroos lieber im zentralen oder
       linken Mittelfeld spielt. Gegen Trochowski spricht allerdings, dass Kroos,
       20, von sich behauptet, überall kicken zu können.
       
       Gegen Trochowski spricht überdies, dass er zwar über einen strammen Schuss
       verfügt, aber bisweilen die Angewohnheit hat, das Spiel zu verschleppen,
       die Übersicht zu verlieren und das Heil im Dribbling zu suchen, kurzum ein
       Spieler zu sein, dem es an Spielintelligenz mangelt.
       
       Kroos fußballerischer IQ liegt locker über 140, doch er könnte trotz seiner
       überragenden Anlagen nur die Nummer drei in den Kalkulationen von
       Bundestrainer Joachim Löw sein, denn der brachte auch Cacau, 29, ins
       Gespräch als Müller-Ersatz.
       
       Doch taugt Cacau zum Müllerschen Super-Surrogat? Er plagt sich nun schon
       seit Tagen mit einer Bauchmuskelzerrung herum, einer Verletzung, die immer
       wieder aufzubrechen scheint. Mal trainiert er mit, mal nicht. Der wehe
       Bauchmuskel sollte Löw davon abhalten, Cacau ins Einsatzgebiet von Müller
       zu entsenden.
       
       Gar nicht im Gespräch ist derweil der kleine Dribbelkünstler Marko Marin.
       Im Match gegen Serbien hatte Marin seine Chance bekommen - und verspielte
       sie. Es heißt, der Bundestrainer sei überhaupt nicht angetan gewesen vom
       Auftritt Marins. Jetzt kommt er auch wegen seiner physischen
       Voraussetzungen nicht infrage. Gegen die spanische Elf, mal abgesehen von
       Abwehrspieler Piqué eher kleiner von Wuchs, braucht Löw robustere
       Spielertypen.
       
       Allerdings kann man nicht behaupten, dass die Müller-Ersatzkräfte
       Trochowski, Kroos und Cacau besonders kopfballstark wären, nein, sie haben
       es lieber, wenn der Ball flach gespielt wird und ihnen am Fuß klebt. So
       gesehen wiegt der Ausfall von Müller doppelt schwer, denn nur Klose ist in
       der deutschen Offensive kopfballstark. Löw sieht das nicht so eng: "Wenn
       ich die anderen Spieler sehe, die infrage kommen, ihn zu ersetzen, dann
       habe ich ein gutes Gefühl", sagt er. "Trochowski, Cacau, Kroos - die alle
       können die Position zu meiner Zufriedenheit ausfüllen." Wie schon gegen
       Argentinien müssen die Mittelfeldspieler wieder viel laufen, um die
       Defensive zu unterstützen; Podolski hatte das zuletzt vorbildlich erledigt.
       
       Mit Iniesta und Xavi, Villa und Co stünden gleich mehrere Messis in der
       Reihen der Spanier, sagt Löw. "Wir müssen sie zu Fehlern zwingen, sie
       selbst machen kaum welche." Aber wie kann das gehen? Mit Dominanz: "Wir
       können jeden dominieren, auch im spielerischen Bereich."
       
       Gegen die vielen Messis muss die Mannschaft ihre Meisterprüfung bestehen.
       Ohne Müller. Der könnte sie im Finale nachholen.
       
       1 Jan 1970
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Deniz Yücel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Generationswechsel im DFB-Team: Expedition Löw
       
       Joachim Löw hat eine Mannschaft geformt. Seine Mannschaft. Ohne
       Stinkstiefel, ohne kapriziöse Typen, ohne autoritäre Anführer. Aber ein
       verschworenes, ehrgeiziges und mündiges Team. Und ein verspieltes.
       
 (DIR) Erfolgreiche deutsche Mannschaft: Fit for Fun
       
       Eine überlegene Fitness ist die Basis für den WM-Erfolg der DFB-Auswahl –
       und die wird auch mit moderner Computertechnik gelegt. Ein
       Werkstattbericht.
       
 (DIR) DFB-Scout Siegenthaler zum Halbfinale: "Spanien ist kein Geheimnis"
       
       Der Scout des DFB-Teams erklärt, wie der Erfolg der deutschen Mannschaft
       geplant wurde und weshalb das Spiel der Spanier dem Ideal von Jogi Löw
       entspricht.
       
 (DIR) Kolumne Vuvuzela 24: Hola* Spanockels, ihr seid schon tot!
       
       Zu faul, zu klein, zu satt – und zu durchschaubar. Elf Gründe plus ein
       Extra-Grund, warum die Spanier schon verloren haben.