# taz.de -- Milli Görüs und die Hamas: "Einfluss auf 60.000 Muslime"
       
       > Hinter dem verbotenen Verein IHH, der an die Hamas spendete, stecken
       > Milli-Görüs-Funktionäre. Islamismusexpertin Dantschke fordert dennoch
       > einen Dialog, besonders auf lokaler Ebene.
       
 (IMG) Bild: Muslime in Deutschland: Will man sie integrieren, darf man Milli Görüs nicht außen vor lassen.
       
       taz: Frau Dantschke, am Montag hat der Bundesinnenminister die
       Internationale Humanitäre Hilfsorganisation (IHH) verboten, weil sie 6,6
       Millionen Euro an die radikalislamische Hamas transferiert haben soll.
       Hinter der IHH stecken Funktionäre der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs
       (IGMG). Hat Sie diese Verknüpfung überrascht? 
       
       Claudia Dantschke: Nein, das ist seit Jahren bekannt. Vor allen während des
       Gaza-Krieges im Januar 2009 war die Zusammenarbeit offensichtlich, die
       Verbindung zur IHH wird von der IGMG auch nicht bestritten. Außerdem war
       bekannt, dass Mustafa Yoldas, eines der bekanntesten Milli Görüs-Gesichter
       in Norddeutschland, seit März 2009 Vorsitzender der IHH ist.
       
       Milli Görüs, die größte islamistische Organisation in Deutschland, gilt
       bislang als gewaltfrei und legalistisch. Nun unterstützen Milli
       Görüs-Funktionäre laut Innenminister eine Terrororganisation. Muss man die
       Einschätzung von Milli Görüs überdenken? 
       
       Legalistisch heißt ja noch nichts über die Ideologie der IGMG: Für sie
       steht die Hamas nicht für Terror, sondern für Widerstand. Sie unterstützt
       den sozialen Arm der Hamas, allerdings nicht nur aus humanitären Gründen,
       sondern auch aus ideologischen. Man fühlt sich als Teil einer großen
       weltweiten Opfergemeinschaft, an deren Spitze die Palästinenser in Gaza
       stehen. Indirekt wird so die Hamas als ganzes unterstützt.
       
       Braucht es also eine Neueinschätzung? 
       
       Das ist schwierig. Milli Görüs ist eine weltweite Bewegung und die IGMG in
       Deutschland ist nur ein Teil davon. In der Gesamtbewegung gibt es durchaus
       Kräfte, die einer aktiveren Art der Umsetzung der eigenen islamistischen
       Ideologie das Wort reden. Die Leute in Deutschland und generell in Europa
       schätze ich so nicht ein. Ihnen geht es eher darum, mit legalen Mitteln
       ihre Ideologie langfristig in die Realität umzusetzen. Jetzt stellt sich
       natürlich die Frage, ob die Unterstützung der Hamas dieser
       Selbstdarstellung noch entspricht.
       
       Innenstaatssekretär Schröder hat am Montag bereits gesagt, man müsse die
       neuen Erkenntnisse bei der Einschätzung von Milli Görüs künftig mit
       berücksichtigen. Welche politischen Konsequenzen wird es geben? 
       
       Die deutsche Milli Görüs-Führung ist sehr groß. Es gibt Teile, die sehr in
       die Türkei gewandt sind und noch stark mit dem radikalen Kurs des Milli
       Görüs-Gründers Erbakan verbunden sind. Es gibt aber auch Funktionäre, die
       sich stärker auf Deutschland und Europa beziehen und eine Loslösung vom
       türkischen Einfluss propagieren. Interessanterweise stellt nun genau dieser
       Teil der Milli Görüs-Funktionäre die Führung der IHH und ist dadurch
       diskreditiert. Ihr Ziel war es, die IHH zu einer von der Türkei
       unabhängigen Organisation aufzubauen und damit auch den eigenen Einfluss zu
       vergrößern. Eine Abkehr von den ideologischen Grundmustern ist damit aber
       nicht verbunden, wie sich zeigt.
       
       Der Innenminister hat Milli Görüs - oder korrekter gesagt: den Islamrat -
       vor einigen Monaten von der Islamkonferenz ausgeschlossen, weil es
       strafrechtliche Ermittlungen unter anderem gegen den Generalsekretär gibt.
       Rückt jetzt der staatliche Dialog mit Milli Görüs in noch weitere Ferne? 
       
       Das befürchte ich. Schon derzeit gibt es große Unterschiede, in Hamburg ist
       die Politik ganz anders als im Bund. Dort wird Milli Görüs eher
       eingebunden, es gibt eine Auseinandersetzung. Mustafa Yoldas, der
       IHH-Vorsitzende, ist auch Repräsentant der Schura, eines Zusammenschlusses
       von Moscheevereinen in Hamburg, und damit ein wichtiger Ansprechpartner für
       die staatliche Seite. Ob sich das jetzt ändert, bleibt abzuwarten. Ich
       halte aber die Auseinandersetzung insbesondere auf lokaler Ebene für
       dringend notwendig.
       
       Warum? 
       
       Milli Görüs hat direkten Einfluss auf schätzungsweise 60.000 Menschen und
       auf ein noch größeres Umfeld. Viele einfache Muslime sind Mitglied,
       tausende Kinder und Jugendliche wachsen in die Organisation hinein. Will
       man die Integration der Muslime, kann man sie nicht außen vorlassen.
       
       14 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabine am Orde
       
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