# taz.de -- Kommentar US-Finanzmarktreform: Kettensäge im Aktenschrank
       
       > Trotz der Finanzmarktreform ist das neoliberale Zeitalter mit seiner
       > blinden Gläubigkeit an Unfehlbarkeit und Effizienz der Märkte noch lange
       > nicht vorbei.
       
 (IMG) Bild: Der IWF lobte den Kurs der USA, obwohl es im Haus Warnungen gab.
       
       Vor einiger Zeit ging in den USA ein Foto durch die Presse: Darauf waren
       Banker und Politiker zu sehen, die sich mit Kettensägen und Heckenscheren
       daran machten, gerade erst aufgehobene Vorschriften und Gesetzestexte
       symbolisch zu zerschreddern. Seht her, sollte es heißen, wir befreien den
       Finanzsektor von überflüssigen Fesseln. Mit ihren "innovativen
       Finanzprodukten" würde die Branche den entwickelten Volkswirtschaften zu
       ungeahnten Produktivitäts- und Wohlstandsfortschritten verhelfen.
       
       Es ist unwahrscheinlich, dass die Finanzmarktreform, die jetzt vom
       US-Kongress verabschiedet wurde, an diesem Bild etwas ändern wird. Das
       neoliberale Zeitalter mit seiner blinden Gläubigkeit an Unfehlbarkeit und
       Effizienz der Märkte, das unter Präsident George W. Bush seinen vorläufigen
       Höhepunkt fand, ist noch lange nicht vorbei. Nein, dieses neue Gesetz kann
       ein Vierteljahrhundert Deregulierung nicht rückgängig machen.
       
       Wird es die Welt wenigstens ein bisschen sicherer machen? Zweifel sind
       angebracht. Die Finanzmarktaufsicht bleibt zersplittert wie eh und je. Mehr
       Transparenz, bessere Risikobewertung durch Ratingagenturen, ein TÜV für die
       Zulassung immer komplexerer Finanzprodukte - Fehlanzeige. Banken brauchen
       keine Entflechtung zu fürchten und keine kostspieligen Kapitalreserven zu
       bilden. Dem global vernetzten Finanzmarktkapitalismus wird kein Haar
       gekrümmt.
       
       Dass liegt nicht nur am erfolgreichen Lobbying der betroffenen Branche. Es
       liegt auch daran, dass jetzt dieselben Leute die Märkte zähmen sollen, die
       jahrelang das Gegenteil taten - im festen Glauben, dass der Markt gut ist
       und die staatliche Bürokratie schlecht. Auch in der EU werden die
       Reformkommissionen gerade mit lauter Finanzmarktvertretern besetzt. Die
       Böcke werden weiter zu Gärtnern ernannt.
       
       16 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicola Liebert
       
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