# taz.de -- Krieg in Afghanistan: Wikileaks publiziert Geheimprotokolle
       
       > Ein Desaster für das Pentagon: 92.000 Militär-Dokumente wurden von der
       > Plattform Wikileaks ins Netz gestellt. Sie belegen, wie schlecht es um
       > den Kampf gegen die Taliban steht.
       
 (IMG) Bild: Enthüllung: Albtraum für die Geheimdienste und vielleicht auch ein Sicherheitsrisiko für die Soldaten.
       
       WASHINGTON afp | Die auf Enthüllungsgeschichten spezialisierte
       Internetseite [1][WikiLeaks] hat mit der Veröffentlichung von zehntausenden
       teils geheimen Dokumenten zum Afghanistan-Krieg für Furore gesorgt. Die
       rund 92.000 Unterlagen von 2004 bis 2010 zeichneten ein "düsteres Bild" von
       der Lage am Hindukusch, berichtete der "Spiegel" nach einer Prüfung der
       Unterlagen in seiner neuen Ausgabe vom Montag. Das Weiße Haus kritisierte
       die Enthüllungen.
       
       Die [2][brisanten Dokumente] wurden dem Internetportal WikiLeaks von bisher
       unbekannter Seite zugespielt. WikiLeaks wiederum gab das Material vor
       wenigen Wochen an den Spiegel sowie die New York Times und The Guardian
       weiter. Die drei Medien kamen laut Spiegel nach eingehender Prüfung zu dem
       Schluss, dass die Dokumente authentisch seien, und berichteten am Sonntag
       auf ihren Internetseiten zeitgleich über die Enthüllungen.
       
       Laut Spiegel zeichnen die Einsatzberichte und Dokumente aus dem
       US-Verteidigungsministerium aus unmittelbarer Sicht der Soldaten ein
       "ungefiltertes Bild des Krieges". Die afghanischen Sicherheitskräfte würden
       darin "als hilflose Opfer" von Anschlägen der radikalislamischen Taliban
       beschrieben. Zudem zeigten die Dokumente, dass der Krieg im Norden des
       Landes, wo die Bundeswehr stationiert ist, immer bedrohlicher werde.
       
       Für den Norden Afghanistans gibt es demnach zahlreiche sogenannter "Threat
       Reports", Bedrohungsszenarien und konkrete Warnungen vor bevorstehenden
       Anschlägen. Aus den Meldungen gehe anschaulicher als aus den Informationen
       der Bundesregierung an den Bundestag hervor, dass die Sicherheitslage in
       der Region immer schlechter werde, berichtete der "Spiegel".
       
       Die Dokumente offenbaren demnach auch, dass der pakistanische Geheimdienst
       der "vermutlich wichtigste außerafghanische Helfer der Taliban" ist.
       Abgesandte des pakistanischen Geheimdienstes sind dem Bericht zufolge
       dabei, wenn sich Aufständische zum Kriegsrat treffen und sollen auch
       präzise Mordbefehle erteilen, etwa gegen den afghanischen Präsidenten Hamid
       Karsai.
       
       Das Weiße Haus hat verärgert auf die Veröffentlichung zehntausender
       vertraulicher Dokumente über den Einsatz in Afghanistan reagiert. "Die
       Vereinigten Staaten verurteilen die Enthüllung von Geheiminformationen
       durch Einzelpersonen und Organisationen, die das Leben der Amerikaner und
       ihrer Partner gefährden könnten und unsere nationale Sicherheit bedrohen",
       sagte der Nationale Sicherheitsberater James Jones am Sonntag. Diese
       "unverantwortlichen Lecks" hätten jedoch keine Auswirkungen auf das
       Bekenntnis der USA zu einer vertieften Partnerschaft zu Afghanistan und
       Pakistan.
       
       Der pakistanische Botschafter in den USA, Husain Haqqani, bezeichnete die
       Veröffentlichung der Geheimdokumente als "unverantwortlich", da sie nicht
       die "tatsächlichen Gegebenheiten" widerspiegelten. Die USA, Afghanistan und
       Pakistan seien "strategische Partner", die militärisch wie politisch das
       Terrornetzwerk El Kaida und dessen Verbündete der Taliban bekämpfen
       wollten.
       
       Die US-Regierung räumte allerdings ein, dass ihr die Verbindungen des
       pakistanischen Geheimdienstes zu Aufständischen seit geraumer Zeit Sorgen
       bereiten. Das Weiße Haus veröffentlichte als Beleg dafür mehrere Dokumente,
       unter anderem ein Schreiben von Verteidigungsminister Robert Gates vom 31.
       März 2009. Diese Kontakte seien eine "echte Sorge" für die USA. Dies sei
       Pakistan auch direkt mitgeteilt worden, heißt es darin.
       
       Die Internetplattform WikiLeaks will mit der Veröffentlichung von geheimen
       Dokumenten aus anonymen Quellen Missstände öffentlich machen. Im April
       hatte ein armeeinternes Video der US-Streitkräfte weltweit für Bestürzung
       gesorgt, das den tödlichen Beschuss irakischer Zivilisten durch einen
       US-Kampfhubschrauber zeigte. Anfang Juni wurde ein US-Soldat festgenommen,
       der das Video an WikiLeaks weitergereicht haben soll.
       
       Auf die Kritik aus dem Weißen Haus und von anderen Seiten, reagiert die
       Organisation gelassen. Der Gründer WikiLeaks, Julian Assange, hat die
       Veröffentlichung zehntausender teils geheimer US-Dokumente zum
       Afghanistan-Krieg verteidigt. Guter Journalismus sei "von Natur aus"
       kontrovers, sagte Assange der britischen Tageszeitung "The Guardian" vom
       Montag. Zugleich begrüßte er die Debatte, die die Veröffentlichung der
       Dokumente auslöste. Guter Journalismus müsse den Missbrauch der Mächtigen
       aufdecken. Wenn dies geschehe, gebe es immer Gegenreaktionen. Diese
       "Kontroverse" sei gut, sagte der 39 Jahre alte Australier. Das Weiße Haus
       hatte die Enthüllungen scharf kritisierst.
       
       26 Jul 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://wikileaks.org/
 (DIR) [2] http://wardiary.wikileaks.org/
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Afghanistan-Dokumente bei Wikileaks: USA schalten FBI ein
       
       Der US-Verteidigungsminister will wegen der Afghanistan-Dokumente auf
       Wikileaks das FBI einschalten. Er wolle die undichte Stelle finden, um die
       Soldaten zu schützen.
       
 (DIR) Kommentar Afghanistan-Dokumente: Die schmutzige Realität
       
       Jetzt ist es amtlich: Auch nach Einschätzung der Militärs hat die
       Bundeswehr mit ihrem Mandat nichts mehr in Afghanistan zu suchen. Sie muss
       abgezogen werden.
       
 (DIR) Afghanistan-Protokolle von Wikileaks: Die neue Weltmedienmacht
       
       Für eine der größten Enthüllungen seit Jahren arbeitete die Internetseite
       "Wikileaks" mit drei klassischen Medien zusammen. Diese jubeln. Denn: Sie
       fühlen sich gebraucht.
       
 (DIR) "Garani Massaker": Neues Wikileaks-Video erwartet
       
       Das Irak-Video "Collateral Murder" regte auf. Jetzt kündigte Wikileaks ein
       neues Militärvideo an, diesmal aus Afghanistan: Das "Garani-Massaker" mit
       mindestens 95 Toten, darunter viele Kinder.
       
 (DIR) Festnahme wegen Irakkriegsvideo: Loch im Leak
       
       Ein US-Soldat soll Wikileaks das Video, das die Erschießung von Zivilisten
       in Bagdad zeigt, zugespielt haben. Der Schaden für die Whistleblower-Seite
       ist enorm.
       
 (DIR) Wikileaks-Sprecher: "Wir brauchen die Obskurität noch"
       
       Wikileaks veröffentlicht brisante Dokumente, um Transparenz zu schaffen.
       Die meisten Macher aber bleiben lieber anonym: Sprecher Daniel Schmitt
       nimmt Stellung.