# taz.de -- US-Reaktionen auf Afghanistan-Dokumente: Strategie der Verharmlosung
       
       > Die Mitarbeiter von Barack Obama spielen die Bedeutung der Dokumente
       > herunter. Ihre Wut richtet sich gegen Wikileaks und die beteiligten
       > Medien.
       
 (IMG) Bild: In ihrer Interpretation der veröffentlichten Dokumente völlig verschieden: US-Präsident Obama hier mit Afghanistans Präsident Hamid Karzai.
       
       Wieder einmal sind sich die afghanische und die US-amerikanische Regierung
       nicht wirklich einig. Das Weiße Haus in Washington ist am Tag nach der
       Veröffentlichung der rund 92.000 Dokumente bemüht, deren Bedeutung
       herunterzuspielen. Wenig sei neu an den Dokumenten, heißt es. Der
       katastrophale Eindruck, den das Gesamtbild der Dokumente hinterlasse,
       erklärte Barack Obamas Sicherheitsberater James Jones, sei "exakt der
       Grund, warum der Präsident eine dreimonatige Überprüfung und eine
       Strategieänderung angeordnet hat".
       
       Die Washingtoner Regierung verweist darauf, dass die veröffentlichten
       Dokumente aus dem Zeitraum zwischen 2004 und Dezember 2009 stammen. Am 1.
       Dezember 2009 setzte Präsident Barack Obama, parallel zu einer
       Truppenaufstockung, die neue Afghanistanstrategie der USA in Kraft. Ob aber
       seitdem die Zwischenfälle abgenommen haben, die zum Tod afghanischer
       Zivilisten führen und in den Dokumenten ausführlich beschrieben sind - dazu
       gab es zunächst keine Stellungnahme.
       
       Der afghanische Regierungssprecher Siamak Herawi reagierte denn auch ganz
       anders: "Die afghanische Regierung ist schockiert über den Bericht, der die
       Wirklichkeit des Afghanistankrieges offenlegt", sagte er laut der
       Internetseite des US-Nachrichtensenders CNN. Der Sprecher von Afghanistans
       Präsident Hamid Karsai hingegen, Wahid Omar, erklärte, Karsai sei überhaupt
       nicht schockiert: "Das meiste dreht sich um zivile Todesopfer, die
       Versuche, den Tod von Zivilisten zu verschweigen, und die Rolle eines
       gewissen Geheimdienstes in Afghanistan. Die erste Reaktion des Präsidenten
       war: Das ist doch nichts Neues."
       
       "Natürlich", sagte Omar weiter, "wird das die Aufmerksamkeit der Welt auf
       diese beiden Themen lenken, aber es gab [in den Berichten] nichts
       Überraschendes. Schockiert sei der Präsident lediglich darüber, dass diese
       Dokumente an die Öffentlichkeit gelangen konnten.
       
       In den USA sah das der ehemalige demokratische Präsidentschaftskandidat
       John Kerry, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats, ganz
       anders: "Wie illegal auch immer diese Dokumente an die .Öffentlichkeit
       gelangt sind - sie werfen ernsthafte Fragen über die Politik Amerikas
       gegenüber Pakistan und Afghanistan auf", sagte er.
       
       Zu einem erneuten Politikwechsel sieht Obamas Sicherheitsberater James L.
       Jones allerdings keinen Anlass. Man müsse al-Qaida und ihre extremistischen
       Verbündeten weiter zurückdrängen, sagte Jones. "Die US-Unterstützung für
       Pakistan wird sich weiterhin darauf konzentrieren, Pakistan in die Lage zu
       versetzen, extremistische Gruppen zu vernichten", sagte Jones. "Wir
       wissen", erklärte er weiter, "dass ernsthafte Herausforderungen vor uns
       liegen, aber wenn wir zulassen, dass Afghanistan wieder zurückfällt, werden
       wir erneut eine Bedrohung durch extremistische Gruppen wie al-Qaida
       erleben, die dann mehr Spielraum für Planung und Training hätten."
       
       Die ganze Wut des Sicherheitsberaters richtete sich gegen Wikileaks und die
       Medienpartner Der Spiegel, New York Times und Guardian: "Die USA
       verurteilen aufs Schärfste die Veröffentlichung von Geheiminformationen
       durch Einzelne oder Organisationen, die das Leben der Amerikaner und ihrer
       Partner gefährden könnten und unsere nationale Sicherheit bedrohen", sagte
       Jones.
       
       Warum allerdings Dokumente, die angeblich gar nichts Neues beinhalten, die
       Sicherheit der Vereinigten Staaten bedrohen, mochte auch Jones nicht
       erklären. Allerdings gab es bislang auf die tatsächlich neuen Erkenntnisse,
       etwa zu den im Besitz der Taliban befindlichen Stringer-Raketen oder zum
       Einsatz der Spezialtruppe 373 in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr,
       keinerlei inhaltliche Stellungnahme.
       
       Auch die britische Regierung wollte zunächst nicht auf den Inhalt der
       Dokumente eingehen. Der Guardian zitiert eine britische
       Regierungssprecherin lediglich mit den Worten: "Wir bedauern jede
       unautorisierte Veröffentlichung geheimer Daten." Ansonsten schließe sich
       London dem Statement aus Washington an.
       
       Wenig später sagte der britische Außenminister William Hague gegenüber der
       BBC, die Dokumente "bedeuten für die britischen Truppen überhaupt nichts.
       Wir arbeiten mit unseren Verbündeten in Afghanistan hart daran, die
       Sicherheitslage zu verbessern und die Fähigkeiten der afghanischen
       Regierung zu erhöhen, da werden wir unsere Zeit nicht damit verschwenden,
       irgendwelche geleakten Dokumente anzusehen."
       
       26 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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