# taz.de -- Nach dem Loveparade-Desaster: Aus der Traum der Allmachtsfantasie
       
       > Was war noch mal die Loveparade? Lange vor dem Unglück war ihre
       > kulturelle Bedeutung gesunken. Doch Techno wird weiter pumpen.
       
 (IMG) Bild: Von der Subkultur zum Volksfest zur Katastrophe: die Loveparade.
       
       Das Unglück auf der Loveparade von Duisburg ist nun fast eine Woche her und
       die Diskussion über die gesellschaftliche Bedeutung der Gigaveranstaltung
       teilt sich in zwei Lager. Die einen behaupten: selbst schuld, das hat die
       Spaßgesellschaft nun von Kommerz und Ballermannspektakeln. Ihre hässlichste
       und schwachsinnnigste Fratze zeigt sich in Eva Herman. Die anderen
       entgegnen: Mit der authentischen Technokultur hatte die Parade schon lange
       nichts mehr zu tun, und deshalb verändert sich eigentlich auch nichts. Über
       Facebook und Twitter bestätigt man sich dann in einhelligem Auskennertum.
       
       Instrumentalisiertes Volksfest 
       
       Weder selbst erklärte Sittenwächter noch Stimmen aus der Szene erkennen die
       Sonderrolle der Loveparade an. Klar: Sie war ein subkulturelles Ereignis,
       das zügig vom Mainstream erobert wurde und zum Massenevent mutiert ist. Der
       Mechanismus der Vereinnahmung ist aus früheren Jugendkulturen nur zu
       bekannt. Neu an der Loveparade ist gewesen, dass sie trotz des totalen
       subkulturellen Bedeutungsverlusts zeichenhaft geblieben und sogar noch
       mächtiger geworden ist. Sie wurde zum Volksfest und ließ sich dabei bestens
       von der Politik instrumentalisieren. Dass ihr Publikum hedonistisch
       orientiert war, sich als unpolitisch verstand und gegen nichts aufbegehrte,
       beschleunigte diese Entwicklung.
       
       Die ausufernde Berichterstattung dieser Woche über das Unglück ist Ausdruck
       der nationalstaatlichen Tragweite der Loveparade. Sie war Sinnbild des
       neuen Deutschlands und sollte nun auch das Image des Ruhrgebiets
       aufpolieren und der gebeutelten Stadt Duisburg zu neuer Bedeutung
       verhelfen.
       
       Vor dem 24. Juli 2010 wurde die Loveparade meist mit friedlich tanzenden
       Massen an der Berliner Siegessäule in Verbindung gebracht - ein Symbol der
       gelungenen Wiedervereinigung mit Techno als erster gesamtdeutscher
       Jugendkultur von Weltrang. Bunt, jung und sexy - so gefiel sich die
       Berliner Republik nach außen hin.
       
       Fragen nach sozialer Gleichheit konnten angesichts des "Meeres aus Liebe"
       bequem unter den Teppich gekehrt werden. Nicht umsonst installierte die
       Rot-Grün-Regierung Sigmar Gabriel (SPD) als Popbeauftragten. Popkultur
       hatte in den Neunzigern bereits eine ideologische Funktion übernommen. Die
       große Inklusionsmaschine Loveparade sollte Zusammengehörigkeit stiften, wo
       der Nationalstaat schon lange an Einfluss verloren hatte und die Kluft
       zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft.
       
       Diese Kraft zur Massenmobilisierung und zum Neuanfang wollte nun auch die
       Stadt Duisburg im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres Ruhr 2010 nutzen. Wenn
       die Loveparade schon ganz Deutschland ausgehend von der Hauptstadt Berlin
       ein neues Gesicht gegeben hat, warum sollte sie das nicht mit Leichtigkeit
       für den Pott schaffen? Dabei geht es nicht bloß um ein regionales
       Identitäts-Update für die PR-Abteilung. Die Ideologisierung von Pop geht
       einher mit einer Hinwendung zu den in diesem Milieu entstandenen
       Arbeitsmodellen von Unabhängigkeit, Flexibilität und Eigenverantwortung
       zugunsten der neoliberalen Verhältnisse. Zusammengefasst unter dem
       Stichwort Kreativwirtschaft, die nicht nur im Ruhrgebiet Geld in die leeren
       Kassen spülen soll.
       
       Raffgier und Profilierungssucht 
       
       Immer klarer wird, dass die unheilvolle Allianz aus raffgierigen
       Veranstaltern und profilierungssüchtigen Kommunalpolitikern zu fatalen
       Sicherheitsmängeln und der Katastrophe von Duisburg geführt hat. Techno ist
       deswegen aber noch lange nicht tot. Die Technokultur lebt natürlich weiter
       - und seit einiger Zeit sogar besser ohne das sinnentleerte Image der
       Loveparade.
       
       Die umtriebige Berliner Clubszene ist weit über die Grenzen des Landes ein
       Aushängeschild. Die Marke Loveparade als alles vereinendes Symbol und
       Zeichen der Erneuerung ist dagegen für immer beschädigt. Und damit ist auch
       die Allmachtsfantasie geplatzt, durch den Massenanreiz der Popkultur die
       Fliehkräfte von Politik und Wirtschaft ohne große Verluste bannen zu
       können.
       
       1 Jan 1970
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uh-Young Kim
       
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