# taz.de -- Justiz: Haft light für Gemeingefährliche
       
       > CDU-Politikerin will spezielles Gefängnis für nachträgliche
       > Sicherungsverwahrung schaffen. Jurist der Uni Hannover weist auf
       > grundsätzlichen Unterschied zur Strafhaft hin, der in Deutschland
       > vernachlässigt werde.
       
 (IMG) Bild: Raus aus der Sicherheitsverwahrung, rein ins Spezialgefängnis: Laut Hamburger CDU soll das dann einer Wohngemeinschaft ähneln.
       
       Ein Spezialgefängnis für entlassene aber nach wie vor gefährliche ehemalige
       Straftäter hat die Hamburger CDU-Politikerin Viviane Spethmann
       vorgeschlagen. "Eine entsprechende Ausstattung der Einrichtung würde die
       bisherige Kollision mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für
       Menschenrechte (EGMR) vermeiden", sagte die Bürgerschaftsabgeordnete dem
       Hamburger Abendblatt. Dem Urteil zufolge muss sich die Sicherungsverwahrung
       deutlich von der Strafhaft unterscheiden.
       
       Der EGMR hatte die deutsche Praxis, eine einmal angeordnete
       Sicherungsverwahrung für Häftlinge bei negativer Prognose immer weiter zu
       verlängern im Dezember für rechtswidrig erklärt. In Baden-Württemberg wurde
       daraufhin der als gefährlich geltende Hans-Peter W. entlassen. Nach einer
       Odyssee durch die Republik landete der als Sexualstraftäter verurteilte
       Mann in Hamburg, wo sein Aufenthalt einen Sturm der Entrüstung auslöste.
       Zuvor war er bereits aus dem niedersächsischen Bad Pyrmont vertrieben
       worden.
       
       Spethmanns Vorschlag würde nach Darstellung des Abendblatts "eher einer
       streng gesicherten Wohngemeinschaft ähneln als einem gewöhnlichen
       Gefängnis" gleichen. Die Insassen könnten über Computer verfügen, einen
       Garten haben und sollten kochen dürfen. "Die Investitionen für eine
       entsprechende Anlage sind enorm und können nur im Verbund mit anderen
       norddeutschen Ländern geleistet werden", sagte die CDU-Politikerin der
       Zeitung. Eine derartige Einrichtung rechne sich nach ersten Schätzungen
       erst ab einer Größe von 100 Insassen.
       
       "Der Ansatz als solcher ist richtig - ganz unabhängig vom EGMR-Urteil",
       sagt Henning Radtke von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der
       Leibniz-Universität Hannover. Eine Freiheitsstrafe und eine
       Sicherungsverwahrung müssten rechtlich und tatsächlich ganz verschieden
       gestaltet werden. Schließlich werde auch der Freiheitsentzug ganz
       unterschiedlich begründet: Bei der Freiheitsstrafe mit einer begangenen
       Straftat, bei der Sicherheitsverwahrung mit einer Gefährdung der
       Gesellschaft.
       
       Es sei den Straßburger RichterInnen nicht darum gegangen, die Haft ein
       bisschen netter zu gestalten. Menschen per Sicherungsverwahrung die
       Freiheit zu entziehen, sei nur zulässig, wenn der Staat den Insassen die
       Rückkehr in die Gesellschaft ermögliche. "Da liegt ein gewisses Defizit in
       Deutschland", findet Radtke. Nötig sei ein eigenes Gesetz für den Vollzug
       der Sicherungsverwahrung - bisher befassten sich damit nur drei bis vier
       Sondervorschriften im Strafvollzugsgesetz. Der Staat müsse maßgeschneiderte
       Behandlungsangebote machen und die Haftbedingungen etwas vom Strafvollzug
       abheben.
       
       Der EGMR werte die nachträgliche Sicherungsverwahrung, wie sie in
       Deutschland praktiziert werde, als Strafe, sagt Georg Weßling, der Sprecher
       des niedersächsischen Justizministers Bernd Busemann (CDU). Aus Sicht der
       Landesregierung dagegen diene sie der Prävention. Deshalb weise der EGMR,
       wie schon 2004 das Bundesverfassungsgericht, in seinem Urteil darauf hin,
       dass sich die Sicherungsverwahrung von der Strafhaft unterscheiden müsse.
       Ob dafür eine besondere Einrichtung sinnvoll sei, oder ob sie an bestehende
       sozialtherapeutische Anstalten angegliedert werden könnte, müsse diskutiert
       werden. "Eine Zusammenarbeit mit anderen Ländern kann sinnvoll sein", sagt
       Weßling.
       
       Im aktuellen Fall werde so eine Einrichtung aber nichts nützen, warnt
       Weßling. Für Hans-Peter W. sei die Sicherungsverwahrung aufgehoben worden.
       Er unterliege keiner Grundrechtseinschränkung mehr, sondern nur noch den
       Auflagen der Führungsaufsicht, die etwa in Platzverboten bestehen könnten.
       
       Ähnlich sieht das der Fraktionschef der Hamburger Grünen (GAL), Jens
       Kerstan: Man müsse sich Zeit nehmen, einen Vorschlag zu erarbeiten.
       Spethmann müsse sagen, auf welche Rechtsgrundlage sie so eine Anstalt
       stellen wolle, sagt der Hamburger SPD-Justizexperte Andreas Dressel.
       Möglicherweise helfe das Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) weiter, das
       Zwangseinweisungen ermöglicht.
       
       2 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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 (DIR) Kommentar Sicherheitsverwahrung: Die Lösung klingt seltsam vertraut
       
       Wenn sich jemand soweit von der Gesellschaft entfernt hat, dass eine
       Sicherungsverwahrung für nötig erachtet wird, müssten die Betroffenen schon
       während der regulären Haft besser betreut werden.