# taz.de -- Medienethiker über Loveparade-Berichte: "So entsteht regelrechter Hass"
       
       > Die mediale Personalisierung im Fall der Loveparade reduziert komplexe
       > Sachverhalte und schafft so einen Sündenbock, beklagt Medienethiker
       > Christian Schicha.
       
 (IMG) Bild: "Journalisten wollten ihre Thesen mit Bildern bestätigen": auf der Pressekonferenz nach dem Desaster - OB Adolf Sauerland, Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller und Detlef von Schmeling, Vizepolizeipräsident von Duisburg (von rechts nach links)
       
       taz: Herr Schicha, es gab zur Berichterstattung nach der Loveparade über
       200 Beschwerden beim Presserat. Hat Sie das überrascht? 
       
       Christian Schicha: Überhaupt nicht, denn es wurden massiv
       Persönlichkeitsrechte verletzt. Vor allem die Bild-Zeitung und der Express
       haben Bilder von Menschen gezeigt, die später ums Leben gekommen sind. Das
       ist ein Verstoß gegen den Pressekodex, denn ich nehme nicht an, dass
       Angehörige eine Genehmigung erteilt haben.
       
       Warum wurden Bilder wie diese abgebildet? 
       
       Sie sollten personalisieren, damit man sich identifiziert und empathisch
       ist. Das ist natürlich in gewissem Maße auch legitim, aber man muss ja
       nicht zwingend den vollen Vor- und Zunamen und das authentische Bild
       verwenden. Denn für die Angehörigen hatte es katastrophale Folgen und der
       Wahrheitsfindung diente es überhaupt nicht. Ein zusätzliches Problem sind
       die Bilder, die von Beteiligten selbst gemacht wurden und ins Internet
       gestellt werden. Dass sie teilweise auch in Nachrichtensendungen gezeigt
       wurden, finde ich nicht richtig, denn die Menschen, die abgebildet sind,
       wurden nicht gefragt, ob sie gezeigt werden möchten.
       
       Betrifft Ihre Kritik auch die "seriösen" Medien? 
       
       Die überregionalen Medien haben sich große Mühe gegeben, die Geschichte
       einzuordnen und gründlich die Hintergründe zu recherchieren. Aber einen
       falschen Umgang mit Bildern sehe ich auch hier. Bilder werden häufig
       missbraucht, um die These eines Artikels zu bestärken. Zum Beispiel zeigte
       der Spiegel ein Bild des Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland, in
       dem dieser seine Hände nach oben streckte. Das sollte symbolisieren, dass
       er sich für unschuldig halte, was er selbst gar nicht gesagt hat. Auch die
       Bilder von der Pressekonferenz mit Sauerland, anderen Vertretern der Stadt
       und dem Veranstalter Rainer Schaller wurden immer wieder in Zeitlupe und in
       Wiederholung gezeigt, um zu demonstrieren: Diese Menschen kamen mit der
       Situation nicht klar. Da wollten Journalisten ihre Thesen mit Bildern
       bestätigen. Durch solche medialen Darstellungen entsteht ein regelrechter
       Hass auf diesen Oberbürgermeister.
       
       Viele würden sagen: zu Recht. 
       
       Er hat sicherlich in der Geschichte keine glückliche Rolle gespielt, aber
       es sind eine Vielzahl von Akteuren an dieser Loveparade, an der Konzeption
       und an der Umsetzung beteiligt gewesen. Insofern gibt es eine Vielzahl von
       möglichen Schuldigen. Durch die mediale Personalisierung reduziert sich das
       aber und man meint, über eine einzige Person die Verantwortlichkeit
       feststellen zu können.
       
       Sind Journalisten dafür mitverantwortlich? 
       
       Journalisten stehen natürlich unter dem Druck, schnell zu berichten, auch
       wenn die Situation noch unklar ist. Man erwartet von ihnen, dass sie
       Geschehnisse einordnen und Antworten liefern. Seriöser Journalismus sollte
       aber auch öfter mal zur Kenntnis nehmen, dass man bestimmte Dinge noch
       nicht weiß.
       
       3 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karin Schädler
       
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