# taz.de -- Ressourcen in der Arktis: Wettlauf unters Eis
       
       > Mit Forschungsreisen versuchen Russland, die USA und Kanada zu beweisen,
       > dass der Boden unterm Eis zu ihrem Territorium gehört. Sie vermuten dort
       > wertvolle Rohstoffe.
       
 (IMG) Bild: Erster! Traditionell wollen die Russen klar machen, was ihnen gehören soll.
       
       STOCKHOLM taz | "Historisch" und "beispiellos", bewertete Artur Chilingarow
       die Expedition, zu der er vergangene Woche im nordwestrussischen
       Archangelsk den Startschuss gab. Der Duma-Abgeordnete und Polarforscher war
       2007 selbst Teilnehmer der spektakulären Expedition gewesen, in deren
       Rahmen eine russische Titan-Flagge in den Meeresboden unter dem Nordpol
       gepflanzt wurde. Die neue Expedition soll Moskaus Souveränitätsansprüche in
       der Arktis stärken.
       
       Drei Monate lang will das Forschungsschiff "Akademik Fjodorow" mit Hilfe
       des nuklear angetriebenen Eisbrechers "Jamal" den arktischen
       Kontinentalsockel erforschen. Die 67 ForscherInnen an Bord sollen
       Erkenntnisse über den Verlauf und die Struktur des Lomonossow- und
       Mendelejew-Rückens sammeln. Bereits im nächsten Jahr werde man mit den
       Resultaten das Recht Russlands auf die Souveränität über ein 1,2 Millionen
       Quadratkilometer großes Arktisareal vor der UN-Kommission für die Grenzen
       des Kontinentalschelfs begründen können, kündigte Chilingarow an.
       
       Diese Kommission, die sich um die Auslegung und Umsetzung der 1982 von der
       UN-Seerechtskonferenz erlassenen Kontinentalschelfregel kümmert, wird in
       den nächsten Jahren nicht arbeitslos werden. Haben die Arktisanrainer wie
       alle Staaten mit Küstenlinie zunächst nur einen Anspruch auf eine
       "Wirtschaftszone" von 200 Seemeilen, in der sie die Ressourcen
       ausschließlich nutzen dürfen, kann dieses untermeerische Territorium mit
       der "Schelfregel" weiter ausgedehnt werden: Der Staat, der den geologischen
       Nachweis erbringt, dass sich die "kontinentale Kruste" des eigenen
       Territoriums auf dem Meeresboden fortsetzt, kann Ansprüche von bis zu 350
       Seemeilen geltend machen - und auf die dort lagernden Ressourcen.
       
       Die jetzige russische Expedition will nachweisen, dass die Formationen des
       Lomonosow- und des Mendelejew-Rückens, die sich quer durch die Arktis bis
       nahe der nordgrönländischen Küste erstrecken, Bestandteil des russischen
       Festlandssockels sind. Eine Anfang der Woche gestartete Expedition von USA
       und Kanada soll wiederum Material sammeln, das die Souveranitätsanspüche
       Washingtons und Ottawas stärkt. Entsprechende dänische und norwegische
       Forschungsreisen hatten vergangenen Sommer stattgefunden.
       
       UmweltschützerInnen kritisieren diesen Wettlauf und fordern statt Geltung
       des normalen Seerechts Spezialregeln für die Arktis. Bei den fünf
       Arktisanrainern gelten die Millionen, die sie in die Schelfforschung
       stecken, als Investitionen, die sich vielfach auszahlen werden. Es gibt
       Schätzungen, wonach bis zu 25 Prozent der heute weltweit noch nicht
       erschlossenen Rohstoffe in der Arktis liegen könnten. Im Zweifel zählt
       jeder Meter. Der Meter, um den vor einigen Jahrzehnten Norwegen und
       Großbritannien bei der Grenzziehung in der Nordsee stritten, war später
       mehrere 100 Millionen Dollar Öleinnahmen wert.
       
       Darum führt Kanada für den Beweis seiner Rechte sogar ein gesunkenes Schiff
       an. Das letzte Woche entdeckte Wrack der 1851 bei der Suche nach
       Überlebenden der Expedition von John Franklin im Eis festgefrorenen "HMS
       Investigator" sei ein Argument für den Anspruch Kanadas auf die
       Nordwestpassage als nationalen Seeweg, sagte Kanadas Umweltminister Jim
       Prentice.
       
       5 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Machtkampf um Arktis: Wem gehört das Eis?
       
       Bei der Suche nach den Schiffswracks der legendären Franklin-Expedition
       helfen ortsansässige Inuit. Es geht auch um die Frage, wer Anspruch auf die
       Arktis hat.
       
 (DIR) Kommentar Arktis-Ressourcen: Profiteure der Erderwärmung
       
       Der drohende Klimakollaps stellt eine große Bedrohung für diesen Globus dar
       - und verlangt nach radikalen Maßnahmen. Die Arktis auszubeuten ist der
       falsche Weg.