# taz.de -- Kommentar Weizenpreise: Spiel mit dem Hunger
       
       > Terminbörsen sollen das Geschäft von Bauern und Bäckern sicherer machen.
       > Derzeit blasen sie ein zwar vorhandenes, aber überschaubares Problem zu
       > einem Riesenproblem auf.
       
 (IMG) Bild: Ernte im Maisgürtel: Landwirt auf einem Maisfeld im US-Bundesstaat Illinois.
       
       Der Markt für Weizen gerät außer Kontrolle, die Preise an den Terminbörsen
       explodieren geradezu - seit Anfang Juli um 50 Prozent. Okay, in Russland
       und einigen angrenzenden Ländern herrscht Dürre, in Kanada war es zu
       feucht. Trotzdem droht auf dem Weltmarkt keine Knappheit, nicht einmal
       andeutungsweise. Nein, das globale Weizenangebot liegt, wenn man die
       Lagerbestände mitberücksichtigt, derzeit sogar deutlich höher als vor zwei
       Jahren und nur wenig unter dem Rekordstand vom Vorjahr. Das unterstützt
       alles nicht die Behauptung, Preise würden sich stets nur durch das
       rationale Spiel von Angebot und Nachfrage bilden und die Börsen seien dabei
       bloß Vermittler.
       
       Terminbörsen sollen das Geschäft von Bauern und Bäckern sicherer machen.
       Indem sie sich schon lange vor der Ernte auf einen Preis einigen, machen
       sich beide unabhängig von plötzlichen Preisausschlägen, die aufgrund einer
       besonders schlechten oder besonders reichlichen Ernte auftreten können. Das
       erhöht die Planungssicherheit und erleichtert es unter anderem,
       Investitionen in die Landwirtschaft zu tätigen. Wenn nun aber Spekulanten
       auf diesen Börsen gigantische Preisausschläge erzeugen, die durch die
       Entwicklungen auf den realen Warenmärkten überhaupt nicht gedeckt werden,
       dann muss die Frage erlaubt sein, ob der Börsenhandel seine Aufgabe
       erfüllt. Derzeit leisten die Terminbörsen vor allem eines: Sie blasen ein
       zwar vorhandenes, aber überschaubares Problem zu einem Riesenproblem auf.
       
       Darunter zu leiden haben nun viele. Zu Recht beklagen
       Agrarlobbyorganisationen, dass der Markt nicht funktioniere. Ein paar
       Regeln, die die Rohstoffbörsen in letzter Zeit einführten, reichen nicht
       sehr weit. Kaum dass bestimmte Fonds an die Kandare genommen werden, kommen
       andere mit einem nicht minder gefährlichen Geschäftsmodell.
       
       Am schlimmsten betroffen sind diejenigen, die die geringste Lobby haben:
       die Menschen in ärmeren Ländern, die auf erschwingliche Lebensmittel
       angewiesen sind. Vor zwei Jahren, als eine Spekulationswelle fast alle
       Grundnahrungsmittel erfasste, war eine Welle von Hungerrevolten von Ägypten
       über Senegal bis Haiti die Folge. Sicher passen sich die Preise irgendwann
       wieder dem Angebot an. Aber was sagen die Verfechter eines ungehemmten
       Finanzmarktkapitalismus eigentlich denen, die so lange Hunger leiden
       müssen?
       
       6 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicola Liebert
       
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