# taz.de -- Jeder dritte Euro im Hartz-IV-System: 50 Milliarden Euro für Aufstocker
       
       > Mittlerweile wird jeder dritte Euro im Hartz-IV-System zum Aufstocken von
       > Niedriglöhnen verwendet. Wirtschaftsexperten sehen darin kein neues
       > Phänomen.
       
 (IMG) Bild: Flur in der Agentur für Arbeit in Ludwigsburg (aufgenommen 11/2006).
       
       Die Zahl ist hoch: 50 Milliarden Euro an Steuergeldern sind seit dem Start
       von Hartz IV im Jahr 2005 bislang für die Aufstockung von Niedriglöhnen
       verwendet worden. Dies geht aus einer kleinen Anfrage der Linken an die
       Bundesregierung hervor. Jeder dritte Euro im Hartz-IV-System wird demnach
       zur Sicherung des Lebensunterhalts von Geringverdienern verwendet.
       
       Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sieht die
       Zahlen jedoch falsch interpretiert: "Wenn man über Aufstocker spricht, muss
       man sehr genau schauen auf diejenigen, die zwar in Vollzeit arbeiten, bei
       denen das Gehalt aber trotzdem nicht zum Leben reicht." Diese Gruppe gebe
       es aber bereits seit 1965, damals hätten die Betroffenen eben Wohngeld
       bezogen.
       
       Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im Dezember 2009 666.209 Personen
       sozialversicherungspflichtig beschäftigt und bezogen zeitgleich Hartz IV.
       Gut 400.000 von ihnen arbeiteten in Vollzeit. Fast genauso viele
       Hartz-IV-Empfänger, nämlich 645.000, waren 2009 geringfügig beschäftigt.
       "Dass Menschen nicht von ihrer Arbeit leben können, ist ein
       gesellschaftliches Problem, aber es ist nicht neu", sagte Brenke.
       
       Unter den vollzeitbeschäftigten Aufstockern sei häufig nicht der geringe
       Verdienst, sondern eine große Familie der Grund, warum das Gehalt nicht zum
       Leben reiche, sagte Brenke. Zudem sei die Zahl der Aufstocker in der Gruppe
       der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den letzten Jahren
       zurückgegangen. Anders sehe es bei Hartz-IV-Empfängern aus, die in Minijobs
       arbeiteten.
       
       Eben diese Minijobs hält Thorsten Kalina vom Institut für Arbeit und
       Qualifikation der Universität Duisburg (IAQ) für ein großes Problem.
       Minijobber würden behandelt wie Arbeitnehmer zweiter Klasse. Das ziehe die
       Löhne insgesamt nach unten, sagte Kalina.
       
       Mindestlöhne, wie sie am Donnerstag auch Linksparteichef Klaus Ernst
       forderte, sieht Kalina als Chance für einen faireren Wettbewerb. "Einen
       branchenspezifischen Mindestlohn müssen alle Arbeitgeber zahlen und die
       höhere Kaufkraft der Arbeitnehmer wirkt sich wiederum positiv auf die
       anderen Branchen aus, erklärt Kalina. Er plädiert deshalb dafür,
       Geringverdiener langfristig in sozialversicherungspflichtige
       Beschäftigungsverhältnisse einzubinden.
       
       Andere fürchten hingegen, dass ein Mindestlohn zu Stellenabbau führe. Kurt
       Eikemeier, Sprecher der BA, sagte zur taz: "Möglicherweise würde ein
       gesetzlicher Mindestlohn den Menschen im Niedriglohnsektor helfen, aus
       Hartz IV herauszukommen." Er sehe aber die Gefahr, dass die entsprechenden
       Arbeitsplätze durch die Einführung eines Mindestlohns nicht länger zur
       Verfügung stünden.
       
       Kalina verweist aber auf Großbritannien, wo 1999 ein gesetzlicher
       Mindestlohn eingeführt wurde. Studien hätten gezeigt, dass dort die Zahl
       der Beschäftigten seitdem um zwei Millionen gestiegen sei. In anderen
       Ländern sei zudem die Möglichkeit zur staatlichen Aufstockung von Löhnen
       fast immer mit der Einführung von Mindestlöhnen verbunden gewesen, betonte
       Kalina. "Andernfalls zahlt der Staat immer drauf, weil er für das aufkommt,
       was die Arbeitgeber einsparen." Ähnlich sieht das Ernst: "Würde niemand
       weniger als zehn Euro pro Stunde verdienen, könnte ein Gutteil der
       Subventionierung des Niedriglohnsektors eingespart werden."
       
       12 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ariane Lemme
       
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 (DIR) Hartz IV
       
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