# taz.de -- Rechte Demo in Bad Nenndorf: Aufmarsch in SA-Manier
       
       > Trotz behördlicher Schikanen schaffen es hunderte Demonstranten, den
       > braunen "Trauermarsch" in Bad Nenndorf um Stunden zu verzögern - mit
       > einem Polizeitrick.
       
 (IMG) Bild: Weiße Shirts, schwarze Flaggen: Rechte marschieren durch Bad Nenndorf.
       
       BAD NENNDORF taz | Am Samstag marschierten mehr als 1.000 Neonazis in Bad
       Nenndorf auf. Unter Trommelschlägen zogen sie in ihrem "Trauermarsch" unter
       dem Motto "Für die Opfer alliierter Kriegs- und Nachkriegsverbrechen"
       schweigend vom Bahnhof in der niedersächsischen Kurstadt bis zum
       Winklerbad. Kreative Aktionen der Gegendemonstranten und ihr spontanes
       Engagement auf der Route überraschte die Polizei und verzögerte den Marsch
       um mehrere Stunden.
       
       Die 800 Meter vom Bahnhof zum Winklerbad, das von 1945 bis 1947 der
       britischen Armee als Gefängnis für Nationalsozialisten diente, waren
       gänzlich abgesperrt. Knapp 2.000 Polizeibeamte standen bereit,
       Absperrgitter waren aufgestellt, Reiterstaffeln patrouillierten, ein
       Hubschrauber kreiste. Fast nur Beamte bewegten sich auf der Marschroute, an
       der überall Transparente "Deutsche Täter sind keine Opfer" oder Plakate
       "Bunt statt Braun" hingen. Doch plötzlich stand sie vor dem Mittag dennoch
       da: Eine Betonpyramide, an der sich vier Gegendemonstranten angekettet
       hatten. "Wir haben Zeit mitgebracht", sagte einer dessen Hand in der
       Pyramide steckte.
       
       Sie schafften, was eigentlich hätte unmöglich sein sollen: Mit einem blauen
       Kleinbus und einem Anhänger mit Absperrgitter waren sie durch die
       Polizeisperren bis knapp 100 Meter vor das "Bad" gekommen. Die Zeitung
       Polizei heute hinter der Windschutzscheibe und ein Papierschild mit
       Landeswappen und einer Nummer machten den Weg frei. Wohl auch, weil die
       Gruppe ähnlich wie Beamte gekleidet waren: dunkle Kappe, schwarzes T-Shirt,
       grüne Hose. "Die hätten wir auch durchgelassen", meinte prompt ein höherer
       Polizeibeamter. "Ja, Respekt" ergänzte ein Kollege.
       
       Schnell sollte nun Werkzeug zum entfernen der Pyramide geholt werden. Doch
       schnell ging jetzt gar nichts mehr. "Bitte gehen sie zwanzig Meter zurück",
       fordert die Polizei Anwohner und Mitglieder des Sportvereins "VfL Bad
       Nenndorf" auf, die den Angeketteten applaudierten. Die Sportfreunde hatten
       sich an der Route auf einer Hotelterrasse zum Frühstück verabredet. Gehen?
       Nein. Zur erneuten Überraschung der Polizei setzen sich die rund 30, meist
       weit über 40-Jährigen, einfach auf die Straße und stimmten Friedenslieder
       an. "Ich habe so was noch nie gemacht, es reicht aber einfach", sagte ein
       65-jähriger Anwohner. Ein Frau mit T-Shirt des "VfL" meinte: "Diesen
       braunen Mob lässt man in SA-Manier marschieren und wir werden schikaniert".
       
       Noch deutlichere Töne fielen bereits am Morgen an einer Straßenecke bei der
       Fußgängerzone. Über 1.200 Menschen protestierten hier. Erst am Freitagabend
       um 20 Uhr hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg kurzfristig doch noch
       die Kundgebung des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" von 9 bis 11 Uhr
       genehmigt. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Hannover allein das vom
       Landkreis Schaumburg ausgesprochene Verbot des "Trauermarsch" aufgehoben,
       die vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) für das Bündnis angemeldete
       Gegendemonstration blieb zunächst verboten.
       
       Dietmar Bucholz vom Bündnis betonte unter großem Applaus: Die Behörden
       haben "unseren Protest massiv behindert, kastriert". Ihr friedlicher
       Protest wäre durch die vermeintliche Gefahrenprognose von Polizei und
       Verfassungsschutz kriminalisiert worden. "Das Bündnis, aus Sportvereinen,
       Kirchen, Parteien und Gewerkschaften, wird behandelt wie die Aussätzigen",
       hob der DGB-Regionalvorsitzende Sebastian Wertmüller hervor. Bürgermeister
       Bernd Resse betonte, wie sehr ihn freut, dass "trotzdem so viele gekommen
       sind". Vor Ort, mitten im Gegenprotest, sagte Stefan Wenzel,
       Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, der taz: "Innenminister Uwe
       Schünemann hat mitzuverantworten wie die Behörden mit dem Bündnis
       umgegangen sind". Im Landtag will er nachfassen.
       
       Am Bahnhof trafen gegen Mittag dann die ersten Neonazis ein. Etliche Frauen
       reihten sich bei dem von militanten Kameradschaften vorbereiteten Marsch
       ein. Viele Rechte hatten weiße Hemden oder T-Shirts an. Nicht ohne Grund:
       Als 1932 die SA kurz verboten war, marschieren sie mit weißen Hemden auf.
       Aus jener Zeit stammt eine Strophe des Nazisdichters Heinrich Anacker,
       welches das offizielle Mobilisierungsshirt zierte: "Im braunen Hemd, im
       weißen Hemd. Brennt gleich für Deutschland unser Blut". Beim Marsch fiel
       das Shirt nicht auf. Die Veranstalter um Sven Skoda und Marcus Winter
       dürften geahnt haben, dass mit dem SA-Bezug der Weg zum "Bad" rechtlich
       heikel werden könnte. Das Warten verstimmte sie umso mehr.
       
       Die spontane Sitzblockade der Anwohner erhob sich gelassen und gemächlich
       nach der zweiten Polizeiaufforderung. Später applaudierte der VfL "ihrer
       Jugend" zu. Die Straße weiter runter hatten sie sich mit Antifaschisten
       hinsetzen können. Nach der zweiten Aufforderung gingen auch sie – unter
       Jubel. An einer Polizeisperre sollen Demonstranten derweil am Gitter
       gerüttelt haben. Daraufhin setzte die Polizei Pfefferspray ein.
       
       Die Pyramide konnten die Beamten aber nicht gleich entfernen. So leitete
       die Polizei den "Trauermarsch" dann auch an der Gruppe vorbei.
       Fassungslosigkeit bei Anwohnern und Sportfreuden. Vor dem Winklerbad wehte
       von einem Hubwagen ein Transparent "Besatzer raus". Skoda wetterte gegen
       die "Lüge der Befreiung" und schimpfte, dass Redebeiträge untersagt wurden.
       Die betagte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck sollte das Geschichtsbild
       zurechtrücken. Die Neonazis haben für die nächsten 20 Jahre den Marsch
       angemeldet. "Wir wurden wie Verbrecher behandelt", sagte Jürgen Übel vom
       "Bündnis" und versichert "Wir protestieren dennoch wieder".
       
       15 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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 (DIR) Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf: Schwarze Kleidung: unerwünscht
       
       Rund 1.000 Neonazis wollen in Bad Nenndorf gegen die "Lüge der Befreiung"
       aufmarschieren. Die Gegner kriegen "kaum einhaltbare" Auflagen. Zum
       Beispiel, dass sie keine schwarze Kleidung tragen dürfen.