# taz.de -- Irakische Polizisten fürchten US-Abzug: "Die Terroristen hetzen uns wie Tiere"
       
       > Irakische Polizisten fürchten den Abzug der Amerikaner. Zwar ist die Zahl
       > der Anschläge gesunken, der Job bleibt aber gefährlich. Unterwegs in
       > Bagdad.
       
 (IMG) Bild: Verkehrspolizist im Irak.
       
       BAGDAD taz | Für Alaa Fakhr Musa hat der Arbeitstag begonnen, wie zurzeit
       viele seiner Tage beginnen: mit einem Mord. Um halb sechs Uhr morgens war
       ein Polizist erschossen worden. Die Täter entkamen, auch das wie so oft,
       unerkannt.
       
       Vier Stunden später steht Musa wenige hundert Meter vom Tatort entfernt an
       einer Kreuzung im Westen Bagdads und regelt den Verkehr. Der Schweiß rinnt
       ihm von der Stirn. Auf dem Gehsteig sitzt sein Kollege mit der gezogenen
       Pistole schussbereit in der Hand, am Boden steht eine Kalaschnikow. "Wir
       wollen den Bürgern dienen", sagt Musa, "aber die Terroristen hetzen uns wie
       Tiere." Vor wenigen Tagen war Musa dabei, als drei seiner Kollegen
       erschossen wurden.
       
       Die Morde sind die jüngsten in einer Serie von Anschlägen und Überfällen
       auf die Polizei, die seit Monatsbeginn die Hauptstadt in Atem hält. Allein
       in Bagdad wurden seither zwanzig Polizisten getötet. Bevorzugte Tatwaffen:
       Pistolen mit Schalldämpfern, um die Attentate leichter auf der Straße
       ausführen zu können. Aber die gefährlichsten Waffen sind immer noch die
       Sprengfallen am Straßenrand, in Autos und in Gebäuden.
       
       Im Irak sind es Männer wie Major Ahmed al-Hashemi aus der Provinz Diyala im
       Nordosten von Bagdad, die an vorderster Front im Kampf gegen die
       Sprengsätze stehen. Zweimal schon hat er den gefährlichen Einsatz fast mit
       dem Leben bezahlt. Im Nacken hat er eine dicke Narbe, in seinem rechten
       Bein stecken noch immer Splitter.
       
       Zusammen mit fünf seiner Kollegen besucht er derzeit ein Training auf dem
       amerikanischen Stützpunkt Forward Operation Base Warhorse bei Bakuba. Die
       Männer wirken wie eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie helfen einem
       Kameraden in den Schutzanzug, setzen ihm den Helm auf und verschließen das
       Visier der Schutzmaske. Wie ein Astronaut sieht der kleine Mann darin aus.
       Am Ende der Übung steht eine Sprengung - der Knall durch geht Mark und
       Bein.
       
       Leutnant John Taylor von der kleinen Marineeinheit, die für die Ausbildung
       zuständig ist, ist voll des Lobes für die Iraker. "Diese Männer machen den
       gefährlichsten Job der Welt", sagt Taylor. "Aber sie stehen ihren Mann.
       Inzwischen wickeln sie ihre Einsätze komplett ohne uns ab."
       
       In diesem Jahr seien in Diyala, der ehemaligen Al-Qaida-Hochburg, bereits
       50 bis 60 Sprengsätze explodiert, sagt Hashemi. Dennoch spricht er, ebenso
       wie die Amerikaner, von einer guten Entwicklung. Vor vier Jahren habe es
       1.200 Bombenanschläge gegeben, im vergangenen Jahr noch 295. Wie der
       gesamte Irak sei Diyala auf dem richtigen Weg, sagt Brigadegeneral Patrick
       J. Donahue, der Vizeregionalkommandant der US-Truppen.
       
       In seiner neuen Rolle als Ausbilder und Berater werde sich das US-Militär
       in den nächsten Monaten auf die Ausbildung, Ausrüstung und Verbesserung der
       Logistik der Iraker konzentrieren, sagt Donahue. "Damit sie bereit sind,
       wenn es so weit ist", sagt er mit Blick auf den Abzug der letzten
       US-Truppen. Dieser soll Ende 2011 erfolgen. Der irakische Generalstabschef
       warnte vorige Woche jedoch, dass der Termin verführt sei. Donahue will sich
       dazu nicht äußern.
       
       Hashemi ist zwar froh über den Roboter zur Bekämpfung der Sprengfallen.
       Aber seine Einheit wie überhaupt die Polizei müsse noch viel besser
       ausgerüstet werden. "Die Amerikaner haben sich zu sehr auf die
       Armeeausbildung konzentriert und die Polizei vernachlässigt."
       
       In Bagdad fürchtet der Verkehrspolizist Musa den Abzug der Amerikaner schon
       jetzt. Unter den Polizisten mache sich Furcht breit, sagt Musa. "Viele
       trauen sich nicht mehr, in Uniform zur Arbeit zu fahren. Es ist wie 2005."
       
       Auch damals stritten sie die Politiker monatelang über die künftige
       Regierung. Täglich kam es zu Gewaltexzessen. Von den Zuständen damals ist
       Bagdad momentan weit entfernt. Es gibt keine Massendesertionen, die
       Regierung zahlt die Gehälter inzwischen pünktlich, und die
       Sicherheitskräfte sind besser ausgebildet.
       
       Aber mit jedem Anschlag wächst unter den Polizisten die Angst vor einer
       erneuten Eskalation. "Die Gewalt zehrt an meinen Männer", sagt Leutnant
       Mohammed Zebun im Ostteil der Stadt. Es brauche schleunigst eine Regierung,
       die das Vakuum beendet. Anders als sein Kollege Musa befürwortet er den
       US-Abzug. "Nur Gott kann uns schützen."
       
       20 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
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