# taz.de -- Überschwemmungen in Pakistan: Nach der Flut kommt der Frust
       
       > Der Wasserpegel in Pakistan sinkt langsam, doch die Unzufriedenheit
       > wächst: In den überfluteten Regionen klagen Flutopfer über mangelnde
       > Hilfe.
       
 (IMG) Bild: Hausen unter freiem Himmel: Flüchtlinge nahe der pakistanischen Kleinstadt Thatta.
       
       THATTA taz | "Es ist eine Schande", schimpft Oberst Asif. Er leitet ein
       Flüchtlingscamp auf dem Gelände der Staatlichen Jungenschule in der Nähe
       von Thatta, einer pakistanischen Kleinstadt 80 Kilometer von der Metropole
       Karatschi entfernt. Asif quittierte vor vier Jahren den Dienst, doch sein
       Rang und sein Auftreten verschaffen ihm weiter Respekt. Im olivgrünen
       Armee-T-Shirt und mit einem kleinen Bambusstock, den er wie eine Pistole
       führt, schreitet er die Zelte ab, in denen etwa tausend von der Flut
       Vertriebene Zuflucht gefunden haben. Draußen stehen bewaffnete Paramilitärs
       bereit, falls es im Lager Ärger gibt. Denn der Frust unter den Flüchtlingen
       wächst.
       
       Oberst Asif wurde vor ein paar Tagen von einer wütenden Menge angegriffen.
       Er und seine Mitarbeiter waren auf dem Weg nach Jherruck, ein paar
       Kilometer entfernt, um Reis und Mehl an Flüchtlinge zu verteilen. Die Leute
       an der Straße bewarfen sein Auto mit Steinen. Asif filmte das mit seinem
       Handy. "Schau mal", sagt er. "Das ist doch das Letzte". Etwas später fuhr
       er nochmal hin, um die Menschen zur Rede zu stellen. "Sie haben alles
       abgestritten. Nein, das waren wir nicht, sagten sie, das seien Leute
       gewesen, die nicht von hier sind." Jetzt fährt der Colonel nicht mehr nach
       Jherruck: "Es geht nicht, dass meine Mitarbeiter nicht mehr sicher sind."
       
       Das Hochwasser ist Pakistans schlimmste Katastrophe seit 80 Jahren. Ein
       Gebiet von der dreifachen Größe der Schweiz ist überflutet. Millionen
       Menschen sind obdachlos und auf schnelle Hilfe angewiesen. Nach
       Regierungsangaben sind um die 20 Millionen von der Flut betroffen. Die
       Weltgemeinschaft hat bislang um die 700 Millionen US-Dollar an
       Unterstützung zugesagt. Doch Proteste und Aufstände zorniger Betroffener
       behindern die Hilfs- und Rettungsarbeiten. Das Rote Kreuz erklärte jüngst,
       es habe wegen Unruhen schon Lebensmittelverteilungen abbrechen müssen. Auch
       Mitarbeiter anderer Hilfswerke berichten, sie hätten vor aufgebrachten
       Menschen fliehen müssen. Der Leiter des Internationalen Roten Kreuzes für
       Südasien, Jacques de Maio, sprach von einer "sehr beunruhigenden
       Entwicklung.
       
       Asifs Camp ist vorbildlich. Es ist sauber, es gibt genug zu Essen. Kinder
       spielen, Frauen backen Roti genanntes dünnes Fladenbrot über kleinen
       Feuern. Auf dem Gelände hat die Aman-Foundation, eine Hilfsorganisation aus
       Karatschi, eine kleine Klinik eröffnet und behandelt die Menschen. Asif hat
       einen Wettbewerb ausgelobt, wer von den Familien im Lager das schönste und
       sauberste Zelt hat. "Die Menschen langweilen sich hier doch. Man muss ihnen
       was zu tun geben".
       
       Doch außerhalb des Lagers hausen Zehntausende Flüchtlinge unter freiem
       Himmel. Oft haben sie nur ein paar Tücher über Büsche und Bäume gespannt,
       unter denen ganze Großfamilien sitzen. Manche wollen nicht ins Lager, weil
       sie ihr Vieh nicht mitbringen dürfen. Viele harren trotz Flut in ihren
       Dörfern aus auf Dächern und höherem Gelände, weil sie Esel und Kühe nicht
       allein lassen wollten.
       
       Andere finden schlicht keinen Platz, denn immer noch mangelt es an
       Auffanglagern. Pakistanische Firmen, Hilfsorganisationen und das Militär
       haben Camps erreichtet, doch die Regierung sucht man vergebens. "Selbst die
       Lokalpolitiker kümmern sich nicht", erzählt der Mitarbeiter eines
       Hilfswerkes. Kein Wunder, dass vielen Organisationen und Hilfswerke mit der
       Verteilung von Hilfsgütern überfordert sind. Manche sind aus Angst um das
       Leben ihrer Angestellten dazu übergegangen, Essen und Wasser wahrlos zu
       verteilen.
       
       Ein paar Kilometer von Asifs Camp entfernt, fährt ein Trinkwasserlaster
       durch eine von Flüchtlingen gesäumte Straße. Der Tank ist offen, und das
       Wasser strömt auf die Fahrbahn. Menschen mit Gefäßen drängen sich darum,
       laufen hinter dem Fahrzeug her und versuchen dabei ihre Eimer mit Wasser zu
       füllen. Es gibt Geschrei und Raufereien. "Sie behandeln uns wie Tiere",
       klagt ein Mann, der am Rande dabeisteht.
       
       7 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Agnes Tandler
       
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