# taz.de -- Zwei Jahre nach Lehman-Pleite: Lückenhafte Regulierung
       
       > Zwei Jahre nach dem Bankrott der US-Bank Lehman Brothers haben die
       > Regierungen ihr Versprechen, die Finanzmärkte zu zügeln, nur teilweise
       > eingehalten.
       
 (IMG) Bild: Am 15. September 2008 war der Tag der Lehman-Pleite. Auch deutsche Kleinsparer mussten danach um ihre Einlagen fürchten.
       
       BERLIN taz | Als am 15. September vor genau zwei Jahren die US-Bank Lehman
       Brothers Konkurs anmeldete, rückten die wichtigsten Regierungen der Welt
       ganz eng zusammen. Es dauerte nur wenige Wochen, bis in Washington der
       erste Krisengipfel der G-20-Gruppe stattfand. Der durch den Zusammenbruch
       der Bank versinnbildlichte globale Schock ließ mit großer Geschwindigkeit
       eine neue Form der politischen Kooperation entstehen, die es in dieser
       Intensität im Weltmaßstab vorher noch nicht gegeben hatte.
       
       Die Regierungen der USA, China, Indiens, Deutschlands und der übrigen
       G-20-Mitglieder machten dabei eine sehr weitgehende Ansage: "Alle
       Finanzmärkte, Produkte und Akteure sollen reguliert oder beaufsichtigt
       werden." Plötzlich bekannten sich auch westliche Regierungen zum Primat der
       Politik - ein erstaunlicher Umstand nach mehreren Jahrzehnten liberaler
       Wirtschaftspolitik, die den Staat in vielen Bereichen der Wirtschaft und
       Gesellschaft zurückdrängen sollte.
       
       Wie kam es zu diesem Schwenk? Und vor allem: Haben die Regierungen ihre
       Absichtserklärung verwirklicht? Der damalige Bundesfinanzminister Peer
       Steinbrück (SPD) sah in der Situation nach dem Lehman-Zusammenbruch die
       Gefahr einer globalen "Kernschmelze". Der aus der Atomtechnologie entlehnte
       Begriff sollte dramatisch ausdrücken: Nachdem die Investmentbank Lehman
       durch den Wertverlust spekulativer Immobilienpapiere zahlungsunfähig war,
       drohte ein ähnliches Schicksal nicht nur vielen anderen Banken und
       Versicherern, sondern das gesamte Finanzsystem stand am Abgrund. Die bange
       Frage vieler Bürger: Würde man morgen noch Geld aus dem Bankautomaten
       bekommen? Um der Panik vorzubeugen, stellten sich Merkel und Steinbrück vor
       die Kameras und übernahmen eine Garantie für die Ersparnisse der
       Bundesbürger.
       
       Damit es nicht noch einmal zu einer solch dramatischen Situation komme,
       wollten die Regierungen den Banken Fesseln anlegen. Und tatsächlich ist
       seit dem Jahr 2008 einiges passiert. Der Spielraum für Finanzinstitute,
       risikoreiche Geschäfte zu tätigen, ist enger geworden. So hat die
       Europäische Union drei neue Aufsichtsbehörden für den Finanzsektor
       gegründet. Den Instituten wurde verboten, Transaktionen außerhalb ihrer
       offiziellen Bilanz zu verbuchen, und bald werden die Banken mehr eigenes
       Geld als Krisenvorsorge in Reserve halten müssen, wie es die jüngsten
       Beschlüsse über künftige Bankbilanzen vorsehen, die unter dem Begriff Basel
       III getroffen wurden.
       
       Andere wichtige Schritte der Regulierung dagegen sind bisher unterblieben.
       Einen Finanz-TÜV gibt es nicht, die Banken können weiterhin abenteuerliche
       Wertpapiere auf den Markt bringen. Die Ratingagenturen, die die
       spekulativen Immobilienpapiere vor der Krise viel zu positiv bewerteten,
       treiben nach wie vor ihr Unwesen. Und der Finanzsektor muss bislang kaum
       für die horrenden Kosten der Krise aufkommen.
       
       Eine Regulierung "aller Märkte, Produkte und Akteure"? Wohl kaum. Für diese
       gemischte Bilanz tragen auch die Regierungen Verantwortung. Je länger der
       Lehman-Kollaps zurückliegt, desto eher können sich die nationalen
       Wirtschaftslobbys wieder Gehör verschaffen und scharfe Gesetze verhindern.
       
       In mancher Hinsicht ist der Primat der Politik allerdings wirksam,
       wenngleich auf unheilvolle Art. Wenn die US-Regierung ihr Land weiter mit
       billigem Geld überschwemmt, schafft sie die Voraussetzung für weitere
       Finanzblasen - und damit für die nächste Krise.
       
       15 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
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