# taz.de -- Hayao Miyazakis Animationsfilm "Ponyo": Goldfisch, streck dich!
       
       > Nur mit zarten Gesten kann die Welt gerettet werden: Hayao Miyazakis
       > Animationsfilm "Ponyo - Das große Abenteuer am Meer" lehrt das Staunen.
       
 (IMG) Bild: Lehrt uns staunen: Regisseur Hayao Miyazaki in Venedig.
       
       Bis vor kurzer Zeit hat sich wahrscheinlich noch nie jemand Gedanken
       darüber gemacht, wie es ist, wenn ein Goldfisch zum ersten Mal ein Glas
       warmer Honigmilch trinkt. In Hayao Miyazakis Animationsfilm "Ponyo - Das
       große Abenteuer am Meer" gibt es diese Szene, und sie ist nicht nur von
       rührender Anmut und putziger Komik, sie wirft auch allerlei Fragen auf.
       
       Haben Fische eigentlich Durst? Wie lange dauert es, bis aus einem
       Meerestier ein Mensch wird? Bisher dachten wir immer, das wäre eine Sache
       von einigen Millionen Jahren, aber im fantastischen Kino geht das auch
       anders: Der kleine Goldfisch, der da in Japan ans Ufer geschwemmt wurde,
       muss sich nur ein wenig recken und strecken, schon platzen Füße und Hände
       aus ihm heraus.
       
       Am Ende der Metamorphose steht ein Mädchen namens Ponyo, das ein Junge
       namens Sosuke in einem grünen Plastikkübel nach Hause trägt. Dort gibt es
       erst mal Honigmilch, ein japanischer Nudeltopf wird aufgegossen und
       schließlich geschlafen: Denn am nächsten Tag beginnt "Das große Abenteuer
       am Meer" erst so richtig.
       
       Wer noch nie einen Film des japanischen Meisters Hayao Miyazaki gesehen
       hat, wer bisher nur Disney kannte, aber nicht die Ghibli-Studios, in denen
       "Ponyo" entstand, wird hier das Staunen lernen. Denn im Reich der Mangas
       und Animes ist Miyazaki so etwas wie der Richard Wagner, ein Künstler mit
       weltschöpferischer Kraft, der sich aber auf eine klassische und fast schon
       altmodische Form beschränkt, nämlich den Zeichentrickfilm alter Schule. Das
       Wort Trickfilm weist dabei fast in die falsche Richtung, denn Tricks
       braucht es hier nicht, nur die Striche und Farben, in denen die Fantasien
       von Miyazaki Gestalt annehmen.
       
       Mama Meeresgöttin 
       
       Im Falle von "Ponyo" ist es eine Geschichte vom Meer. Viele Menschen in
       Japan haben eine tiefe Beziehung zu diesem Element, im Westen kommen davon
       häufig nur Klischees wie der Tokioter Fischmarkt (zum Beispiel in Isabel
       Coixets "Eine Karte der Klänge von Tokio") oder die "unbelehrbaren"
       Walfänger an. Wenn man die Szenerie von "Ponyo" sieht, könnte man sich zum
       Beispiel auch an die Dokumentation "Die Bucht" erinnern, in der das
       Abschlachten von Delfinen in einem japanischen Fischerdorf angeklagt wird.
       Von all diesen Dingen ist in "Ponyo" ausdrücklich nichts zu sehen, aber die
       Schleppnetzfischer, die zu Beginn kurz ins Bild kommen, verweisen doch
       darauf, dass das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur gestört ist.
       
       Der kleine Junge Sosuke, der den anfangs noch namenlosen Goldfisch
       aufliest, ist der Sohn eines Kapitäns, der zur See fährt. In der Nacht
       tauscht der Vater mit dem Jungen Leuchtsignale aus, von dem Haus hoch über
       dem Ufer auf das Schiff draußen auf dem Meer. Die Mutter arbeitet tagsüber
       in einem Seniorenpflegeheim, abends fährt sie mit dem Sohn tollkühn über
       die kurvige und nicht ungefährliche Straße hinauf auf die Klippe. Dass
       Ponyo überhaupt eine Idee davon hat, sie könnte mehr als nur ein Goldfisch
       sein, hat mit ihrer Herkunft zu tun: Ihre Mutter ist die Meeresgöttin Gran
       Mamare, die mit dem Zauberer Fujimoto eine Tochter gezeugt hat, die nun
       ganz zwischen den Gattungen steht. Denn Fujimoto war einmal ein Mensch, er
       hat sich aber für die Welt des Meeres entschieden.
       
       Damit liegt er auf einer Linie mit Frank Schätzing, aber auch mit Hans
       Christian Andersen und mit dem Pixar-Studio, das mit "Finding Nemo" einen
       westlichen Animationsklassiker zum Thema geschaffen hat. Und auch James
       Cameron kommt bei "Ponyo" ins Spiel, denn sein frühes Riesenaquarium
       "Abyss" hat zum Teil etwas ganz ähnlich Imaginäres.
       
       All das mag man in "Ponyo" sehen und hineinprojizieren, aber dann gibt es
       ja noch die Möglichkeit, diese Geschichte für kleine und große Kinder
       einfach als das zu nehmen, was sie ist: ein modernes Märchen, in dem die
       Welt gerettet werden muss, in dem es aber nicht so sehr darauf ankommt, wie
       schrecklich sie auf dem Spiel steht (und auf der großen Leinwand weiß
       Miyazaki durchaus anzudeuten, was ein Tsunami ist), sondern darauf, mit
       welch zarten Gesten sie gerettet werden kann. Das war in vielen Mythen ja
       immer schon so, dass etwas Beiläufiges schließlich die Rettung bringt. Ein
       Glas Honigmilch auf diesen Film!
       
       19 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Rebhandl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kinostart
       
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