# taz.de -- Libyer über das Bloggen im Exil: "Arabische Blogs sind politischer"
       
       > Journalisten in Libyen sind geknebelt und gleichgültig. Ghazi Gheblawi
       > bloggt deshalb aus London für unabhängige Medien - und gegen Stereotype
       > über seine Heimat.
       
 (IMG) Bild: Staatskunst auf libysche Art: Blick auf anti-amerikanische Statue vor einem ehemaligen, von den USA zerbombten Präsidentenpalast.
       
       taz: Herr Gheblawi, was sind die Unterschiede zwischen Blogs in der
       arabischen Welt und westlichen Blogs? 
       
       Ghazi Gheblawi: In der westlichen Welt behandeln die Blogs vor allem
       soziale und kulturelle Themen aus einer subjektiven Perspektive. Blogs in
       der arabischen Welt sind viel stärker politisch, denn Blogging selbst ist
       schon eine politische Handlung. Über das Internet nehmen Blogger eine
       Meinungsfreiheit wahr, die ihnen im Alltag oft nicht geboten wird.
       
       Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem eigenen Blog? 
       
       Ich verstehe meinen Blog als Kulturblog. Alle politischen Probleme in der
       arabischen Welt sind auf kulturelle Probleme zurückzuführen. Wichtig ist
       es, dass die Kultur der Passivität, auf der staatliche und religiöse
       Unterdrückung basieren, überwunden wird. Ich setze mich auch mit
       Stereotypen auseinander, die über Libyen kursieren, und möchte die positive
       Seite des Landes zeigen. Eine Möglichkeit dazu bietet Literatur - ich
       übersetze viele libysche Autoren ins Englische und präsentiere sie auf
       meinem Blog.
       
       Sie leben seit vielen Jahren in London. Können Sie überhaupt als
       authentische Stimme für Ihr Land gelten? 
       
       Das ist in der Tat etwas heikel. Ich bin nur alle zwei bis drei Jahre in
       Libyen. Ich stehe aber in engem Kontakt mit Korrespondenten vor Ort. 2004
       habe ich mit anderen libyschen Journalisten die Onlinezeitung "Libya Today"
       gegründet. Obwohl wir aus London veröffentlicht haben, waren wir für viele
       Leute in Libyen die erste Informationsquelle, weil wir nicht der
       staatlichen Zensur unterlagen.
       
       Wer sind Ihre Leser? 
       
       Die meisten Leser sind aus den USA, Großbritannien und Deutschland.
       Darunter sind natürlich Menschen mit arabischem Migrationshintergrund, die
       interessiert, was in ihrem Heimatland passiert, aber auch viele
       nichtarabische Leser.
       
       Gibt es Anzeichen, dass Blogs in der breiten Öffentlichkeit Beachtung
       finden? 
       
       In Ägypten lief während des Ramadan eine erfolgreiche Daily Soap, die auf
       einem Blog basierte. Die Journalisten der etablierten Medien haben wegen
       der oft sehr strikten Auflagen eine gewisse Gleichgültigkeit entwickelt.
       Sie investieren oft keine Zeit mehr in aufwendige Recherche, weil sie die
       Konsequenzen fürchten. Blogs sind in dieser Hinsicht viel freier.
       Mittlerweile kommen dank der Blogs Themen in die Öffentlichkeit, die zuvor
       unbeachtet geblieben wären.
       
       Und die Politik? 
       
       2005 wurde in Libyen ein regimekritischer Journalist ermordet. Bis heute
       gibt es Gerüchte, dass die Regierung involviert war. Nach seinem Tod wurde
       die Geschichte im Internet weiterverbreitet und zu einem Symbol für den
       Kampf um Meinungsfreiheit. Seitdem ist die Regierung sehr viel vorsichtiger
       im Umgang mit Journalisten.
       
       27 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Jochmaring
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Iranische Bloggerin auf Kaution frei: Ahari entgeht Todesstrafe
       
       Eine internationale Kampagne setzte sich für die seit Ende 2009 inhaftierte
       Shiva Nazar Ahari ein. Als vermeintliche "Feindin Gottes" drohte ihr die
       Hinrichtung.
       
 (DIR) Muslimische Blogger in Deutschland: Live aus der Parallelgesellschaft
       
       Sie sind jung, gut ausgebildet und wollen nicht jedes Medien-Urteil über
       ihre Werte akzeptieren: Immer mehr deutsche Muslime bloggen – aus
       unterschiedlichen Gründen.
       
 (DIR) Aufklärung der Loveparade-Katastrophe: Blogger besiegen Sauerland
       
       Oberbürgermeister Sauerland wollte gegen Autoren vorgehen, die Dokumente
       über die Loveparade online gestellt hatten. Viele Webseiten folgten dem
       Beispiel - bis die Stadt aufgab.