# taz.de -- Geplantes Betreuungsgeld: Herdprämie macht abhängig
       
       > Das Betreuungsgeld widerspricht dem Grundgesetz, sagt eine Studie der
       > Friedrich-Ebert-Stiftung: Es zementiert eine überholte Familienpolitik zu
       > Lasten der Frauen.
       
 (IMG) Bild: SPD-Vize Manuela Schwesig bezeichnet das Betreuungsgeld als "Fernhalteprämie".
       
       Das geplante Betreuungsgeld ist "verfassungsrechtlich prekär". Zu diesem
       Urteil kommt eine Expertise, die die Rechtswissenschaftlerin Margarete
       Schuler-Harms im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung
       durchgeführt hat und die der taz vorliegt. Die Professorin für Öffentliches
       Recht an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg sagt: "Das
       Betreuungsgeld widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz und bedeutet eine
       Rückkehr zu einem überholten Modell der Familienförderung."
       
       Die Bundesregierung plant, 2013 ein Betreuungsgeld einzuführen: Eltern, die
       ihre Kinder bis zum Alter von drei Jahren zu Hause erziehen, statt sie in
       eine Kita zu bringen, sollen monatlich 150 Euro bekommen. Die "Herdprämie",
       wie KritikerInnen das Betreuungsgeld nennen, verstoße gegen das
       Gleichheitsgebot in Artikel 3 des Grundgesetzes, argumentiert Margarete
       Schuler-Harms: "Wenn der Gesetzgeber eine neue Sachleistung einführt, darf
       er keine Gruppen begünstigen oder benachteiligen." Anders gesagt: Wenn die
       einen 150 Euro bekommen, dürfen die anderen nicht leer ausgehen.
       
       Verkauft wurde das Betreuungsgeld als "Wahlfreiheit": zwischen Kita- und
       privater Erziehung. Die "Wahlfreiheit" sei aber nicht gegeben, sagt
       Margarete Schuler-Harms. Im Gegenteil: Mit dem Betreuungsgeld solle gezielt
       Einfluss auf die Wahl der Betreuungsform und die Dauer der beruflichen
       Auszeit der Frauen genommen werden. Margarete Schuler-Harms: "Dadurch
       zementiert das Betreuungsgeld die ökonomische Abhängigkeit der Frau vom
       Ehepartner." Darüber hinaus widerspreche es familienpolitischen Maßnahmen
       wie dem Elterngeld.
       
       Das Elterngeld (ohne die beiden Vätermonate) wird bis zu 12 Monate gezahlt.
       Als Teilelterngeld, wenn die Mutter trotz Kindererziehung Teilzeit
       arbeitet, fließt es doppelt so lange. "Frauen sind also dazu angehalten,
       nicht zu lange aus dem Beruf auszusteigen." Das gelte auch für das neue
       Unterhaltsrecht bei Scheidungen. Ex-EhepartnerInnen sind seit Januar 2008
       gesetzlich dazu verpflichtet, nach einer Scheidung zu arbeiten. Das gilt
       auch für Mütter, deren Kinder über drei Jahre alt sind.
       
       Das Betreuungsgeld wird heftig debattiert. SPD, Grüne und Linke lehnen es
       ab. SPD-Vize Manuela Schwesig bezeichnet das Betreuungsgeld als
       "Fernhalteprämie": "Es ist falsch, Eltern dafür zu bezahlen, dass sie ihre
       Kinder nicht in die Kita schicken."
       
       Innerhalb der CDU und FDP ist es umstritten. So schlug Maria Böhmer,
       Vorsitzende der Frauen Union, vor, das Geld zur "Aufstockung der Rente" zu
       verwenden. Die FDP plädiert für ein Gutscheinmodell. Als einzige Partei im
       Bundestag besteht die CSU auf Barauszahlung - und auf der Einführung 2013.
       Aus ganz eigenem Interesse. In Bayern gibt es bereits eine
       "Erziehungshilfe": 150 Euro jeden Monat für Eltern, die "die eigene
       Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch
       deren Einschränkung ermöglichen". Die Kosten trägt das Land. Sollte das
       bundesweite Betreuungsgeld kommen, würde der Bund diese Kosten praktisch
       übernehmen. Die "Herdprämie" gibt es auch in Thüringen, Sachsen und
       Baden-Württemberg.
       
       Anstatt die Debatte über das Betreuungsgeld zu führen, sollten
       Kinderbetreuungsstätten ausgebaut werden, sagt Margarete Schuler-Harms.
       Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will trotz der
       angespannten Haushaltslage am Betreuungsgeld festhalten. Aber sie hat
       eingeräumt, dass sie es derzeit "nicht garantieren" kann.
       
       28 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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