# taz.de -- Das neue Energiekonzept: In Eigenlob gebadet
       
       > Ungerührt vom breiten Protest verabschiedet das Kabinett sein
       > Energiekonzept. Und preist die längeren Laufzeiten der AKWs als
       > Förderprogramm für Ökostrom.
       
 (IMG) Bild: In die falsche Richtung am Stromthema geschraubt, finden zumindest Opposition und Umweltverbände.
       
       So einen großen Ministerauflauf erlebt auch die Bundespressekonferenz in
       Berlin nur selten: Gleich fünf Kabinettsmitglieder mussten am Dienstag
       gemeinsam antreten, um das umstrittene Energiekonzept zu präsentieren, das
       die Regierung am Morgen verabschiedet hatte. Vom Streit, den es zuvor darum
       gegeben hatte, war nichts mehr zu spüren, der Auftrag der Ministerriege war
       klar: Geschlossenheit präsentieren und - wenn es sonst schon keiner tut -
       die eigene Arbeit loben, was das Zeug hält.
       
       Das "anspruchsvollste, konsequenteste Programm, das es in Deutschland je
       gegeben hat", ist demnach nicht nur ein "Meilenstein der
       Wirtschaftsgeschichte unseres Landes" (Umweltminister Norbert Röttgen,
       CDU), sondern auch "eine große Chance für die Modernisierung von Wirtschaft
       und Gesellschaft" (Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, FDP), "gut für das
       Klima und die Gebäudeeigentümer" (Verkehrsminister Peter Ramsauer, CSU),
       "forschungspolitisch bedeutsam" (Bildungsministerin Annette Schavan, CDU)
       und "außergewöhnlich ambitioniert" (Finanzminister Wolfgang Schäuble, CDU).
       
       Auch die Schwerpunktsetzung ist offensichtlich: Die Worte "erneuerbare
       Energien" und "Effizienz" fallen in jedem zweiten Satz; die ungeliebten
       Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke, die mit dem Konzept
       beschlossen worden sind, kommen eher am Rande vor.
       
       Lob von außerhalb bekam die Regierung hingegen kaum. Umweltverbände,
       Oppositionsparteien und die Branche der erneuerbaren Energien traten
       ebenfalls geschlossen auf und bekräftigten ihre Kritik an der
       Laufzeitverlängerung. Aktvisten von Greenpeace hatten schon am frühen
       Morgen an sämtlichen deutschen AKW-Standorten protestiert und den Slogan
       "Atomkraft schadet Deutschland" auf die Kühltürme projeziert.
       
       Sämtliche Umweltverbände verbreiteten kritische Stellungnahmen. Und während
       der Kabinettssitzung demonstrierten Mitglieder des Online-Netzwerks Campact
       und anderer Organisationen, wie sie das Energiekonzept interpretieren: Eine
       verkleidete Bundekanzlerin zerstörte mit einer Kettensäge ein
       Windrad-Modell und Solarmodule.
       
       Diese Befürchtung teilen die Vertreter jener Branche, deren Förderung
       angeblich im Mittelpunkt der Regierungspläne steht: die erneuerbaren
       Energien. Statt der Branche zu helfen, mache die Regierung das Gegenteil,
       sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie: "Das
       Energiekonzept bremst den Ausbau der Windenergie in Deutschland ab."
       
       Auch Dietmar Schütz vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) ist empört,
       dass die Regierung ihr Konzept als Förderung von Ökoenergie verkauft: "Wer
       angesichts dieses energiepolitischen Rückschritts noch von ,zukunftsfähig'
       spricht, hat den Entwurf nicht gelesen", erklärte er. "Das Energiekonzept
       ist eine Reise in die Vergangenheit." Die einzigen positiven Ansätze des
       Konzepts, etwa im Effizienzbereich, seien gestrichen oder massiv
       abgeschwächt worden. Der Verband kommunaler Unternehmen wies darauf hin,
       dass durch längere Atomlaufzeiten die Vormachtstellung der Energiekonzerne
       gestärkt werde.
       
       Auch die Opposition geht davon aus, dass die längeren Atom-Laufzeiten die
       Branche bedrohen. "Wenn der Atomstrom weiterläuft, können sie erneuerbare
       Energie gar nicht fördern, weil sie den Strom nicht ins Netz kriegen",
       sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel.
       
       Grünen-Chef Jürgen Trittin fürchtet "verheerende Folgen" für die Branche,
       der Linksfraktions-Vorsitzende Gregor Gysi kritisierte, Schwarz-Gelb
       sichere "die Vormachtstellung des marktbeherrschenden Energieoligopols".
       Alle drei Parteien kündigten an, die Entscheidung nach einem
       Regierungswechsel zu revidieren.
       
       Die Regierungsparteien wiesen jegliche Kritik zurück. Der
       FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch erklärte, die Wahrnehmung der Kritiker
       sei "von blinder Ideologie getrübt". Und Umweltminister Röttgen bügelte
       kritische Nachfragen mit einer erstaunlichen Erkenntnis ab: "Mich überzeugt
       meine Argumentation."
       
       28 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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