# taz.de -- ZDF-Doku über Anklam: Ostdeutsche Abgründe
       
       > "Showdown in Anklam - Eine Stadt kämpft um die Demokratie" zeigt den
       > politischen und gesellschaftlichen Rand der Republik (0.35 Uhr, ZDF).
       
 (IMG) Bild: Anklam in Ostvorpommern: Drei Journalisten haben dort ein Jahr Lokalpolitik verfilmt.
       
       Von Berlin aus gesehen ist die ostdeutsche Provinz ein exotischer,
       unbekannter und weit entfernter Ort. Viel exotischer, unbekannter und
       weiter entfernt als etwa New York oder Goa, wo irgendwie jeder schon mal
       war.
       
       Gerade hat Moritz von Uslar seine Erfahrungen während eines dreimonatigen
       Aufenthalts in einer nordöstlich der Hauptstadt gelegenen brandenburgischen
       Kleinstadt auf 380 Seiten veröffentlicht; der Verlag nennt den Text einen
       "Abenteuerroman".
       
       Noch ein ganzes Stück weiter, nordöstlich in Ostvorpommern, befindet sich
       die 13.000 Einwohner zählende Kleinstadt Anklam. Bekannter als die Stadt
       sind vielleicht einige ihrer Söhne, zum Beispiel Otto Liliental,
       Flugpionier, oder Günter Schabowski, Wendeheld. In dieses Anklam haben sich
       drei mutige Filmemacher begeben - Anita Blasberg, Marian Blasberg und Lutz
       Ackermann -, um den Menschen außerhalb von seltsamen Begebenheiten zu
       berichten.
       
       Denn in Anklam ist einiges ganz anders als in der bekannten Welt. Etwa das
       politische System. Die markige Kommentarstimme umreißt es aus dem Off so:
       "Anklamer Verhältnisse. Die Rechten eine etablierte Größe. Die Macht in den
       Händen einer Gruppe von Geschäftsleuten. Die Volksparteien fast
       bedeutungslos. So sieht sie aus, die Demokratie in Anklam, 20 Jahre nach
       der Wende."
       
       In Zahlen bedeutet das, CDU und SPD kommen in der Stadtvertretung auf
       zusammen knapp ein Drittel der Sitze. Die bestimmende Kraft nennt sich "IfA
       - Initiativen für Anklam" und ist ein politischer Zusammenschluss örtlicher
       Unternehmer. Der Bürgermeister Michael Galander (ifA) kam einst aus dem
       Westen und lehrte, dass zur Demokratie auch die Spezlwirtschaft gehört. In
       seiner Ablehnung sind sich CDU, SPD und Linke einig wie auf Bundesebene
       nie.
       
       Jeder vierte Anklamer ist ohne Arbeit, den teuren Dienstwagen neiden sie
       ihrem Bürgermeister nicht, der auch an andere denkt. Den Bauauftrag für
       einen Kreisverkehr mit Brunnen gibt er an einen Unternehmer aus dem Ort,
       auch wenn der um 68.000 Euro teurer ist als die Konkurrenz. Die
       Ermittlungen wegen Veruntreuung von Steuergeldern sitzt der Bürgermeister
       dann einfach aus.
       
       Er hat für die anstehende Bürgermeisterwahl ein gutes Gefühl - und einen
       Wahlkampfetat von 12.000 Euro. Das ist viel, die anderen Kandidaten können
       sich nicht einmal die Postzustellung ihres Programms leisten. Galander
       hingegen spendiert den Senioren der Stadt eine Kaffeefahrt auf dem
       Flussschiff: "Ihnen wird gleich eine Gulaschsuppe serviert, Toastbrot haben
       Sie schon, jeder hat ein Freigetränk dazu. Viel Spaß!"
       
       Das Thema Essen spielt im Wahlkampf von Galander eine wichtige Rolle.
       Während er Spanferkel auftischt, verteilt sein rühriger Herausforderer von
       der CDU Brillenputztücher ("Für klare Verhältnisse").
       
       In ihrem Film zeigen Blasberg, Blasberg und Ackermann ein Jahr Anklamer
       Lokalpolitik. Für ihre gemeinsame Dokumentation "Die Weggeworfenen.
       Geschichte einer Abschiebung" wurden sie mehrfach ausgezeichnet. Einen
       Sendeplatz vor Mitternacht hätten sie allemal verdient.
       
       An ihrem Unbehagen an dem hemdsärmeligen Provinz-Berlusconi Galander lassen
       sie keinen Zweifel. Sie zeigen allerdings auch, wie er sich einer
       Neonazi-Demo in den Weg stellt. Aus den Megafonen tönt es: "Das ist das
       Gesicht Anklams: ein dicker Bürgermeister, der öfter vor Gericht steht als
       manch einer von uns!" Anklam ist fürwahr ein exotischer Ort.
       
       29 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Müller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Günter Schabowski
       
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