# taz.de -- Buchpreis für Melinda Nadj Abonji: Schweizerin mit Slam-Erfahrung
       
       > Mit "Tauben fliegen auf" von Melinda Nadj Abonji wurde ein sehr eigener
       > aber überzeugender Roman ausgezeichnet. Die Entscheidung kam
       > überraschend.
       
 (IMG) Bild: Sie freut sich: Melinda Nadj Abonji, die Gewinnerin des Buchpreises 2010.
       
       BERLIN taz | Den diesjährigen deutschen Buchpreis erhält die Autorin
       Melinda Nadj Abonji für ihren Roman „Tauben fliegen auf“ - das wurde am
       Montagabend während eines Festaktes im Frankfurter Römer verkündet. Die
       Preisträgerin ist eine Überraschung, die sich zuletzt aber bereist
       anbahnte. Die Autorin wurde 1968 in der serbischen Provinz Vojvodina
       geboren, mit ihren Eltern kam sie als Kind in die Schweiz. Heute lebt sie
       in Zürich.
       
       „Tauben fliegen auf“ ist ein Roman der Erinnerungen, in einer waghalsigen,
       oft großartigen, nicht unkomplizierten, aber stets rhythmischen Sprache
       geschrieben. Dass die Autorin Erfahrungen mit Slam Poetry hat, kann man ihm
       gut ablesen. Die Szenen des Romans transportieren dabei manchmal
       plastische, manchmal blasse Erinnerungen an die Einreise in die Schweiz, an
       Ferien in der Vojvodina, um Gespräche mit Müttern und Großmüttern, die
       Verschwiegenes und Verdrängtes ans Licht bringen und immer weiter an der
       Familiengeschichte puzzeln.
       
       Der Roman ist beim Verlag Jung und Jung erschienen. Außer Melinda Nadj
       Abonji waren Jan Faktor, Thomas Lehr, Doron Rabinovici, Peter Wawerzinek
       und Judith Zander für die Shortlist nominiert gewesen. Die Gemeinsamkeit
       der nominierten Bücher, so hatte die Sprecherin der Jurys, die
       Literaturkritikerin Julia Encke verkündet, liege vor allen in deren
       Welthaltigkeit – was immer das konkret nun bedeuten soll. Jedenfalls hat
       die diesjährige Jury, bestehend aus Literaturkritikern und sonstigen
       Literaturfachleuten, bereits vor der endgültigen Preisverleihung einigen
       Eigenwillen gezeigt.
       
       Zunächst legte sie los wie nichts Gutes und platzierte auf der Longlist
       Namen von Autoren und Autorinnen, die man eher beim Independent-Preis der
       kleineren Verlage vermutet hätte, Nino Haratischwili etwa oder Olga
       Martynova. Schon zu diesem Zeitpunkt fiel die Jury sehr positiv damit auf,
       dass sie auf migrantische Schreibweisen setzte – wobei man hinzufügen darf,
       dass Melinda Nadj Abonji ihre Uni-Abschlussarbeit über Marieluise Fleißer
       schrieb und auch viele Einflüsse von Ernst Jandl verarbeitete. Dann warf
       die Jury mit Thomas Hettche, Andreas Maier und Martin Mosebach die
       Favoriten aus dem Rennen. Und jetzt hat sie mit „Tauben fliegen auf“ einen
       überzeugenden, sehr eigenen Roman ausgezeichnet, dem man viele Leserinnen
       und Leser wünschen möchte.
       
       Der Deutsche Buchpreis wurde zum ersten Mal 2005 vergeben, damals erhielt
       ihn Arno Geiger für sein Geschichtspanorama „Es geht uns gut“. Die
       Auszeichnung, stets am Vorabend der Frankfurter Buchmesse verliehen, hat
       sich sehr schnell etabliert. Während der Büchnerpreis fürs gravitätische
       Lebenswerk steht und der Bachmannpreis für den überraschenden Neu- oder
       Quereinstieg eines Autors, steht der Deutsche Buchpreis für eine Verbindung
       von literarischer Qualität und großem Geschäft. Fast alles bisherigen
       Preisträgerinnen, ob Julia Franck für „Die Mittagsfrau“ (2007) oder Uwe
       Tellkamp mit dem „Turm“ (2008), standen danach sehr weit oben auf den
       Bestsellerlisten, aus dem Auslang kamen Übersetzungsverträge. Außerdem
       erhält die Preisträgerin 25.000 Euro.
       
       4 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dirk Knipphals
       
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