# taz.de -- Vor EM-Qualifikation gegen Kasachstan: Mit dem Bio-Rhythmus ins Bett
       
       > Am Dienstag muss die deutsche Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation
       > in Kasachstan antreten - und findet überraschend viel Vertrautes vor.
       
 (IMG) Bild: Vorbereitung für das Spiel: Dehnübungen deutscher Spieler in Berlin.
       
       Die heißeste Nachricht von gestern ist eigentlich gar keine: Angela Merkel
       und Christian Wulff saßen nicht mit im Flieger nach Kasachstan.
       Bundeskanzlerin und Bundespräsident schlossen sich nicht überraschend der
       Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes an, als die am Montag zu ihrer
       Expedition ins fast 4.000 Kilometer entfernte Astana aufbrach. Dabei hätte
       man sich kaum gewundert, hätten Merkel und Wulff das politische
       Tagesgeschäft sausen lassen, um sich weiter an die allseits beliebten
       Fußballer ranzuwanzen.
       
       Nein, der Trip in die zentralasiatische Steppe ist den polyglotten
       Politikern zu weit. Dass es dort, vier Zeitzonen entfernt, um Punkte für
       die Qualifikation für eine Europameisterschaft geht, ist zwar geografisch
       absurd. Dafür erwartet die deutschen Kicker vor Ort allerhand Bekanntes.
       Ein Bierlokal zum Beispiel. Ein solches befände sich in Astana, versicherte
       Frau Bundeskanzlerin der halbnackten Mannschaft, als sie nach dem 3:0-Sieg
       gegen die Türkei am Freitag in der Kabine vorbeischaute.
       
       Davon allerdings werden die Fußballspieler nicht viel mitkriegen. Auch
       deshalb, weil ihnen die Verantwortlichen empfehlen, im Hotelzimmer lieber
       die Vorhänge zuzuziehen. Nicht weil das noch von stalinistischer
       Architektur geprägte Astana so hässlich wäre, sondern um die Nachtruhe zu
       sichern. Denn das Team soll die vierstündige Zeitverschiebung ignorieren.
       Man tut temporär einfach so, als sei man gar nicht verreist. Deshalb wurde
       gestern Nacht um 23 Uhr Ortszeit trainiert, anschließend gegessen und erst
       um 4 Uhr morgens das Bett aufgesucht. Die Vorhänge sind also unabdingbar,
       um ausgeschlafen ins heutige Spiel gehen zu können. Das übrigens auch um 23
       Uhr kasachischer Zeit stattfindet - allerdings nicht, um dem trägen
       deutschen Bio-Rhythmus entgegenzukommen, sondern damit das ZDF hierzulande
       zu einer werbegeeigneten Anstoßzeit von 19 Uhr übertragen kann.
       
       Aber auch wenn das DFB-Team die lokalen Destillen nicht zu Gesicht bekommen
       wird, stößt man so fern der Heimat auf erstaunlich viel Vertrautes: Der
       Trainer des Gegners ist ein Deutscher und auch einer der Spieler hat einen
       deutschen Pass.
       
       Bernd Storck war Bundesliga-Profi und 13 Jahre lang der Assistent von
       Jürgen Röber, als der den VfB Stuttgart, Hertha BSC Berlin, VfL Wolfsburg
       und Borussia Dortmund trainierte. Vor zwei Jahren wurde er Coach der
       kasachischen U-21, im Januar 2009 übernahm er auch das A-Team. Das liegt
       aktuell auf Platz 126 der Weltrangliste, aber der Verband ist ehrgeizig. In
       dem an Erdöl und -gas reichen Land ist Geld vorhanden. Dass man damit
       allerhand erreichen kann, das hat die ehemalige Sowjetrepublik im Radsport
       bewiesen: Das Team Astana um den kasachischen Nationalheros Alexander
       Winokurow ist so gut mit Staatsgeldern ausgestattet, dass es in den
       vergangenen Jahren Spitzenprofis wie Lance Armstrong oder Alberto Contador
       verpflichten konnte.
       
       Storck, der von seinem Verband als Vorgabe die Qualifikation für die EM
       2016 gesetzt bekommen hat, kann sich allerdings die Spitzenkräfte nicht
       einfach zusammenkaufen. Aber er kann Nachforschungen anstellen. Bei denen
       stieß er auf: Heinrich Schmidtgal. Der spielt bei Rot-Weiß Oberhausen in
       der zweiten Bundesliga, wurde als Sohn von Wolgadeutschen vor 24 Jahren in
       Jessik im Süden Kasachstans geboren und kam als Zweijähriger mit seinen
       Eltern nach Deutschland. Seit einem Monat hat er nun auch einen
       kasachischen Pass, am Freitag absolvierte er sein zweites Länderspiel. Beim
       0:2 gegen Belgien, fand Storck, war der Deutsche einer der besten Kasachen.
       Wäre Sergei Karimow vom VfL Wolfsburg nicht verletzt, stände noch ein
       weiterer in Deutschland ausgebildeter Profi im Aufgebot.
       
       Trotz des Imports deutschen Wertfußballs ist das DFB-Team natürlich Favorit
       - auch wenn Mesut Özil, so der letzte Stand, wahrscheinlich erst einmal auf
       der Bank sitzen wird. Der im Spiel gegen die Türkei lädierte Knöchel des
       Mittelfeldspielers von Real Madrid ist zwar grundsätzlich einsatzfähig,
       soll aber wohl geschont werden. Macht nichts: Zur multikulturellen
       Komponente trägt heute ja auch der Gegner bei. THOMAS WINKLER
       
       12 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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