# taz.de -- Psychologin über Islamophobie: "Da sind derzeit alle Schleusen offen"
> Bezüglich Muslimen haben sich die Normen für Toleranz in Deutschland noch
> nicht weit entwickelt, sagt Psychologin Küpper. Mangelndes Wissen könne
> zu Fremdenfeindlichkeit führen.
(IMG) Bild: Rechtspopulisten der Pro-Köln-Bewegung demonstrieren 2007 gegen den Bau einer Moschee in der Rheinmetropole.
taz: Frau Küpper, warum haben so viele Menschen Angst vor "Muslimen"?
Beate Küpper: Menschen haben oft Angst vor dem, was sie nicht kennen. In
vielen ländlichen Regionen in Deutschland gibt es so gut wie keine Muslime.
Aber gerade dort ist die Angst vor ihnen am größten. Das vermeintliche
Wissen über diese Gruppe basiert dann allein auf Stereotypen.
Aber das kann doch nicht alles sein.
Es ist ein Dreiklang. Erstens: Wenn Faktenwissen fehlt, dann kann das zu
Fremdenfeindlichkeit führen. Zweitens: Ganz grundsätzlich sichert die
Abwertung anderer auch stets die eigene soziale Position. Dazu kommt
drittens: Wenn es um Muslime geht, haben sich soziale Normen für Toleranz
und gegen Feindseligkeit in Deutschland noch nicht sehr weit entwickelt.
Was heißt das?
Über Muslime kann heute ohne größere Hemmungen gesagt werden, was zum
Beispiel über "die Juden" so nicht mehr gesagt werden könnte. Wenngleich
auch das immer wieder von einzelnen Akteuren versucht wird und
Antisemitismus in Deutschland nach wie vor erschreckend verbreitet ist.
Sie setzen die Situation der Muslime heute mit der Situation der Juden
früher gleich?
Natürlich nicht. Aber wir stellen fest, dass die zu Grunde liegenden
Ablehnungsstrukturen gegenüber Juden, Homosexuellen oder Frauen relativ
ähnlich sind und sich immer wieder reproduzieren. In puncto Rassismus und
Antisemitismus sind die Menschen heute sensibler geworden als noch vor
wenigen Jahrzehnten. Es ist zum Beispiel eine starke soziale Norm, jemanden
nicht nach seiner Hautfarbe zu beurteilen. Wenn es um Stereotype gegenüber
Muslimen geht, ist das anders. Da sind derzeit alle Schleusen offen.
Sie sagen: Egal wer der Feind ist - Hauptsache, es gibt einen?
Zumindest ist die Konstruktion dieser Abgrenzungsfunktion ein einfacher
Mechanismus, der leider immer wieder funktioniert und auch politisch
genutzt wird. Es gibt in der Gesellschaft eine ganze Menge von
Minderheiten, die dazu funktionalisiert werden können. Die werden dann bei
Bedarf aktiviert. Das muss man natürlich kritisch reflektieren.
Dann reflektieren Sie doch mal kritisch.
Eines fällt ja in der aktuellen Islamdebatte durchaus auf: Gerade erst
haben wir eine Wirtschaftskrise hinter uns, die die Gesellschaft auf eine
harte Probe gestellt hat, und schon folgt eine Debatte über Muslime. Unsere
Studien zeigen, dass sich viele Menschen durch die Krise betroffen und
bedroht fühlen. Das hätte dazu führen können, dass die Frage nach der
Verantwortung der Eliten gestellt wird. Was macht zu dieser Zeit ein
Vorstand der Bundesbank? Er schreibt nicht über Banken und Bänker, sondern
präsentiert einen "äußeren Feind", gegen den die Abgrenzungsbereitschaft
auch vorher schon hoch war. In diesem Zusammenhang wird sehr deutlich: Die
populistische Projektion von "Muslimen" wird hier instrumentalisiert.
13 Oct 2010
## AUTOREN
(DIR) Martin Kaul
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