# taz.de -- Kommentar Fremdenfeindlichkeit: Politik mit dem Feind
> Wer sich ausgeschlossen und machtlos fühlt, ist besonders anfällig für
> rechtsextreme Einstellungen. Dagegen hilft in erster Linie eines:
> Teilhabe
Reden, reden, reden, überzeugen. So lautet für viele noch immer die
richtige Strategie, um gegen fremdenfeindliche Ressentiments vorzugehen.
Doch sie fruchtet nicht. Rechtsextreme Einstellungen sind heute so weit
verbreitet, dass es kaum eine gesellschaftliche Mehrheit gibt, welche die
aussätzigen Extremisten da drüben am Rand belehren könnte. Denn
Rechtsextremismus ist nichts Randständiges, sondern mitten unter uns: in
der Kirche, in der Gewerkschaft, in der Partei. Wer dagegen angehen will,
muss nicht quatschen, sondern die richtigen politischen Schlüsse ziehen.
Gerade wer sich ausgeschlossen und machtlos fühlt, ist besonders anfällig
für die Skepsis und den Hass gegenüber Fremden. Diese Machtlosigkeit hat
zwei Facetten. Zum einen nährt sie sich aus dem Gefühl, keine Stimme im
politischen Prozess zu haben. Wer sowieso nicht erhört wird, wünscht sich
anstelle der halben Wahrheit lieber die Ganze: eine starke Partei, einen
starken Führer.
Hinzu kommt die materielle Ausgrenzung, die viele Menschen täglich
erfahren, die sie ihr Alltagsleben als perspektivlos empfinden lässt - und
für die sie einen Sündenbock suchen. Beide Phänomene lassen sich mit einem
Terminus fassen: mangelnde gesellschaftliche Teilhabe. Wer rechtsextreme
Einstellungen bekämpfen will, muss Teilhabe ermöglichen. Hierzu eignen sich
auf materieller Seite etwa Vorschläge für ein Grundeinkommen oder die
Einführung von Mindestlöhnen.
Daneben muss Politik aber auch endlich direktdemokratische Spielräume
eröffnen, in denen die Menschen nicht nur oberflächlich beteiligt werden.
Wie schwer das fällt, zeigt derzeit das Beispiel des strittigen
Bahnprojekts Stuttgart 21. Beides - materielle und demokratische Teilhabe -
ist eine Voraussetzung für eine plurale und differenzierte Gesellschaft,
die keine populistischen Feindbilder nötig hat.
Das Drama ist nun: Diese Voraussetzungen zu schaffen, wäre Aufgabe der
Politik. Diese kann von der populistischen Feindbild-Rhetorik aber auch
durchaus profitierten. Solange sich die Hassreflexe zuverlässig gegen
andere richten, geraten die mächtigen Politikgestalter aus dem Fokus.
Dieser traurige Zirkelschluss ist der strukturelle Grund, weshalb es ein
politisches Interesse an einem stets neuen Feind gibt. Und eine
Sozialpolitik, die noch immer andere für ihre Defizite büßen lässt.
13 Oct 2010
## AUTOREN
(DIR) Martin Kaul
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