# taz.de -- Initiativen kämpfen um Einsicht in Verträge: Viele Wege führen zum Wasser
       
       > Vor elf Jahren wurden die Berliner Wasserbetriebe fast zur Hälfte an
       > private Investoren verkauft. Die Verträge dieses Deals sind geheim. Drei
       > Initiativen wollen das ändern.
       
 (IMG) Bild: Wasser marsch - doch zu welchem Preis?
       
       Heidi Kosche ist eine Frau mit langem Atem. Vor drei Jahren stellte die
       Grünen-Abgeordnete den Antrag, die geheimen Verträge über die
       Teilprivatisierung der Wasserbetriebe einzusehen. Der Senat mauerte. Und
       mauerte. Und lehnte ab. Erst eine Entscheidung des Berliner
       Verfassungsgerichts im Juli dieses Jahres gab ihr recht. "Eigentlich", sagt
       sie, "möchte ich die Akten noch in dieser Legislaturperiode durcharbeiten."
       Die läuft aber nur noch bis September nächsten Jahres. Deshalb soll nun
       Schluss sein mit der Geduld.
       
       1999 verkaufte die damals schwarz-rote Koalition die Berliner
       Wasserbetriebe zu 49,9 Prozent an RWE und Veolia. Der Verkauf entsprach dem
       Geist der damaligen Zeit: Es war in Mode anzunehmen, dass Private auch
       Aufgaben der Daseinsvorsorge wie die Wasserver- und entsorgung besser lösen
       können als der Staat. Das Brisante: Über die geschlossenen Verträge wurde
       Stillschweigen vereinbart. Und daran halten sich alle Seiten bis heute.
       Weil selbst Abgeordnete über den Inhalt einzelner Akten schweigen müssen,
       die sie in der Vergangenheit in einem gesonderten Raum einsehen durften,
       ranken sich um Inhalt und Auswirkung der Verträge Gerüchte. Es geht um
       Verfügungsgewalt im kaufmännischen und technischen Bereich, um Laufzeiten,
       um Kündigungsfristen, um Eingriffe in das Haushaltsrecht des
       Abgeordnetenhauses.
       
       Drei Initiativen versuchen daher, Licht ins Dunkel der Verträge zu bringen
       - die Abgeordnete Heidi Kosche ist eine von ihnen. Derzeit klagt sie in
       Sachen Wasserverträge schon zum zweiten Mal - weil die Verwaltung die
       insgesamt 180 Aktenordner zu langsam herausgibt. 15 stehen Kosche erst zur
       Verfügung. "Wenn sie in dem Tempo weitermachen, habe ich in drei Jahren
       alle Akten vorliegen", sagt Kosche. Zu langsam für die geübte
       Aktenwälzerin. An den ersten 15 Ordnern hat sie gerade einmal drei Stunden
       gesessen. "Die beziehen sich vorwiegend auf den Zeitraum vor der
       Privatisierung."
       
       Kosche kritisiert vor allem, dass ihr die tröpfchenweise Einsicht nicht
       weiterhilft: Sie will alles auf einmal sehen, querlesen können, an anderer
       Stelle nachschlagen, rote Fäden finden. Doch jetzt muss sie warten. Darauf,
       dass die Verwaltung den nächsten Aktenstapel freigibt oder dass das
       Verfassungsgericht eine Beschleunigung des Verfahrens verfügt. Wann mit
       einer Entscheidung zu rechnen ist? Kosche seufzt. "Die Zeitfrage ist schwer
       zu beantworten." Ein Gerichtssprecher sagt, dass derzeit noch Fristen zu
       Stellungnahmen laufen - in diesem Jahr sei wohl nicht mehr mit einer
       Entscheidung zu rechnen.
       
       Einige Kilometer weiter östlich von Kosches Abgeordnetenbüro sitzt Michael
       Efler, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. Der Verein nutzt ein
       Instrument, das überhaupt erst aus dem Konflikt um die Offenlegung der
       Wasserverträge hervorgegangen ist: das Informationsfreiheitsgesetz. Es
       sieht in seiner neuen Fassung eine weitgehende Transparenz bei Verträgen
       rund um die Daseinsvorsorge vor. Bei älteren Verträgen haben die
       Vertragspartner das Recht nachzuverhandeln. Erst, wenn es keine Einigung
       gibt und das "Informationsinteresse das private Geheimhaltungsinteresse
       erheblich überwiegt", wie es im Gesetz heißt, müssen die Verträge auch hier
       offengelegt werden.
       
       Am 23. Juli trat die Novelle des Gesetzes in Kraft, gut zwei Monate später
       ging bei der Senatsverwaltung für Finanzen ein Fax ein. Mehr Demokratie
       stellte einen Antrag auf Veröffentlichung der Verträge über die
       Teilprivatisierung der Wasserbetriebe.
       
       Die Senatsverwaltung hat in ihrer Antwort an den Verein nun angegeben,
       bereits am 9. August die Vertragspartner angeschrieben zu haben - die
       prompt mitteilten, dass sie ihre "schutzwürdigen Belange", wie Betriebs-
       und Geschäftsgeheimnisse, bei einer Veröffentlichung betroffen sehen. Die
       Senatsverwaltung ist daher in Nachverhandlungen mit den Vertragspartnern.
       Dazu ist im Gesetz eine Frist von sechs Monaten vorgesehen. Im Anschluss
       daran kann noch der Datenschutzbeauftragte Stellung nehmen, erst dann
       findet eine "abschließende Erwägung" der Verwaltung über die
       Veröffentlichung statt. "Aufgrund des oben beschriebenen Verfahrens ist mit
       einer Veröffentlichung nicht vor dem 2. Quartal 2011 zu rechnen", heißt es
       am Ende.
       
       "Wir brauchen daher weiterhin das Volksbegehren als Druckmittel für die
       Verhandlungen", sagt Efler. Und dann sagt er einen Satz, den Heidi Kosche
       fast wortgleich so formuliert hat: "Ich glaube nicht, dass wir uns
       gegenseitig den Wind aus den Segeln nehmen."
       
       So sieht es auch Thomas Rudek, Sprecher des Wassertischs. Die Initiative
       sammelt seit Juni Unterschriften, um mit einem Volksentscheid die
       Offenlegung der Verträge zu erzwingen. Doch für die Aktivisten vom
       Wassertisch ist die Offenlegung der Dokumente nur ein Zwischenschritt. Nach
       einem erfolgreichen Volksentscheid wollen sie die Verträge juristisch
       überprüfen lassen - und dann wohl klagen. So sollen die Wasserbetriebe
       eines Tages wieder komplett Berlin gehören.
       
       Am Wassertisch zeigt sich, wie eng die Initiativen tatsächlich verwoben
       sind: Die Abgeordnete Heidi Kosche ist Vertrauensperson des Wassertischs,
       und wenn sie "wir" sagt, meint sie manchmal "wir Grüne" und manchmal "wir
       vom Wassertisch". "Wir haben ein paar Joker im Ärmel", sagt sie zum
       Beispiel über das Volksbegehren - das zunächst schleppend anlief. 172.000
       gültige Unterschriften müssen am 27. Oktober vorliegen, und alle wissen,
       dass es knapp wird. Mit den Jokern meint Kosche vor allem eine breite
       Unterstützung: "Wir haben den Überblick verloren, wer alles sammelt." Wenn
       alles klappt, komme kurz vor Schluss noch eine Welle Unterschriften aus
       allen möglichen Ecken. Von Bioläden, aus Stadteilinitiativen, vom Spätkauf
       um die Ecke.
       
       "Vor kurzem wollte ich meine Uhr reparieren lassen, und der Juwelier hat
       mich gleich gebeten, ihm ein paar Unterschriftenlisten dazulassen", erzählt
       Kosche. Auch Straßensammler berichten, dass es mittlerweile besser läuft:
       Die Leute seien informierter als bei der ersten Stufe des Volksbegehrens,
       gingen teilweise direkt auf die Stände zu und wollten unterschreiben.
       Manche nehmen stapelweise leere Listen mit und bringen sie Tage oder Wochen
       später mit mehreren hundert Unterschriften zurück. Langsam, kurz vor
       Schluss, wird ein Erfolg des viermonatigen Sammelmarathons realistisch.
       
       Das Volksbegehren bezeichnen Kosche, Efler und Rudek unisono als
       wirksamstes Instrument. "Bei Nachverhandlungen würde ein erfolgreiches
       Volksbegehren viel Druck von außen geben", sagt Efler. Denn ein
       erfolgreiches Volksbegehren führt zum Volksentscheid. Der könnte im
       Frühjahr stattfinden. Dann würden die Vertragsparteien mit einem
       Volksentscheid im Nacken verhandeln - der sie unabhängig von ihren
       Verhandlungen zur Offenlegung der Vereinbarungen zwingen könnte.
       
       Ein Problem bliebe bei dem Erfolg einer oder mehrerer Initiativen: Wie man
       180 Aktenordner mit insgesamt rund 90.000 Seiten sinnvoll veröffentlichen
       soll, da ist sich auch Efler nicht ganz sicher. Aber noch haben alle
       Beteiligten ein paar Monate Zeit, darüber nachzudenken.
       
       20 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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